Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
des
Brötchens.
Mit der
Handkante auf dem Tisch schob er die Krümel zu einem kleinen Häufchen, um sie
mit der anderen Hand an der Tischkante aufzufangen. Die Kaffeetasse stellte er
in die Spüle. Unordnung hatte er noch nie leiden können. Dann steckte er das
Foto wieder in seine Brieftasche. Da war es gut aufgehoben und er konnte sich,
wann immer er es brauchte, wieder in Stimmung bringen. Er beschloss, kurz vor
die Tür zu gehen und eine Zigarette zu rauchen, was ihm außerdem die
Gelegenheit gab einen Blick in die schräg gegenüberliegende Wohnung zu werfen.
Warum hatte sie gestern wieder
nicht gegrüßt? Meint wohl sie wäre was Besseres.
2
Ich sah auf meinen kleinen
Wecker, der auf dem Nachttisch stand und bemerkte, dass die Schlafzimmertür
offen stand und der Hund nicht mehr neben mir auf dem Boden lag. Wie spät es
wohl war? Ich war aus dem Schlaf hochgeschreckt, wusste aber nicht mehr warum.
Ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich. Es war seltsam still in der Wohnung.
Die Rollläden in meinem Schlafzimmer waren halb heruntergelassen und die
Dunkelheit lauerte bereits in den Ecken. Mein Wecker zeigte 12.00 Uhr an, was
einfach nicht sein konnte. Die Batterien hatten schon wieder ihren Geist
aufgegeben. Ich sprang aus meinem Bett.
Wie
immer, wenn ich langen Schichtdienst gehabt hatte, legte ich mich zu Hause für
ein paar Stunden schlafen. Während meiner Schicht als Ärztin in der Notaufnahme
der Kölner Uniklinik, die aus zwei Nächten und einem ganzen Tag bestand,
wohnte meine Nichte Sabine bei mir, um den Hund zu betreuen. Wir hatten nach
meiner Rückkehr kurz zusammen gefrühstückt, sie machte für mich ein paar
Einkäufe und hatte versprochen, mich um 15.00 Uhr zu wecken. Es schien mir aber
schon viel später. Ich lief ins Wohnzimmer, wo mich mein Umzugsgrund Amelie,
eine ganz liebe Rottweilerhündin, freudig begrüßte. Vor einem guten halben Jahr
war ich von Köln nach Erftstadt gezogen.
Ein Blick
auf die Wohnzimmeruhr zeigte mir, dass es schon nach vier Uhr am Nachmittag
und Sabine ganz offensichtlich nicht mehr da war. Ich ging in die Küche um
einen Schluck Wasser zu trinken und fand einen Zettel von Sabine. Habe die
Einkäufe erledigt. Du hast geschlafen wie ein Murmeltier, also habe ich dich
schlafen lassen. Mach’s gut und hoffentlich bis bald. Stets zu Diensten, Deine
Sabine.
Es blieb
jetzt nicht mehr viel Zeit für große Überlegungen, denn Amelie musste dringend
noch einmal vor die Tür. Ich sah aus dem Wohnzimmerfenster auf das Thermometer,
das an der Hauswand hing, um abzuschätzen, was ich am besten anzog. Es zeigte 8
°C an und ich beschloss nun doch endgültig auf Winterbekleidung umzustellen. Schnell
war ich angezogen. Ich schnappte mir meinen blauen, gefütterten Friesennerz und
die Hundeleine, die immer auf dem Garderobenschränkchen lag, und im Nu waren
wir beide draußen.
Bis zum
Liblarer See war es kein weiter Weg. Trotzdem war Eile geboten, denn die
Spazierwege waren nicht beleuchtet und Mitte November waren die Tage schon sehr
kurz. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und ich beschloss deshalb
vorsichtshalber meine Taschenlampe mitzunehmen. Amelie trabte in lockerem
Joggingtempo vor mir her. Ich hatte mir vorgenommen die Straße an der
südöstlichen Seite des Sees hinunter zu gehen. Plötzlich sah ich schattenhafte
die Umrisse einer Person, die mir in einiger Entfernung auf einer großen,
freien Fläche – ehemals ein Parkplatz – in diesigem Zwielicht entgegen kam. Ich
glaubte, dass es der ältere Herr von gegenüber war. Da ich mir aber absolut
nicht sicher war und mir auch der Name nicht einfiel, ging ich mit schnellen
Schritten an ihm vorbei. Der Hund war wohl Nero gewesen, der wiederum dem Nachbarn
gehörte. Da die Dunkelheit aber immer schneller kam, schob ich den Gedanken an
den Nachbarn schnell bei Seite. Ein wenig Gesellschaft hätte ich schon gerne
gehabt, weil ich Angst vor Wildschweinen hatte, die in der Dämmerung erst so
richtig aktiv werden. Wenn es da mal hart auf hart kommen sollte, dann hätten
Amelie und ich schlechte Karten. Selbst so ein stattlicher Rottweiler wie
Amelie würde mir dann nicht helfen können.
Das
Tageslicht schwand mehr und mehr. Ich beschloss, den kürzesten Weg zu nehmen,
um nicht in die völlige Dunkelheit zu geraten. Amelie und ich liefen die Straße
hinunter, die zum See führt. Kurz vor einem schmalen Trampelpfad, der wieder
Richtung Heimat führt, blieben wir beide fast zeitgleich wie erstarrt
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