Gesichter der Nacht
Feuer, und der Tisch war
für eine Person gedeckt. Auf dem Teller fand Marlowe einen hastig
geschriebenen Zettel von Maria: sein Essen stehe in der Backröhre;
Mac und sie seien losgefahren, um eine weitere Ladung Obst und
Gemüse zu holen.
Marlowe grinste, zerknüllte den
Zettel und schnippte ihn ins Feuer. Er ging aus der Küche, stieg
die Treppe hinauf. Er öffne te behutsam die Tür zu Papa
Magellans Zimmer und lugte hinein. Der alte Mann saß im Bett,
gegen ein paar Kissen gelehnt, und las ein Buch. Er wandte sich Marlowe
zu und lächelte. »Kommen Sie rein, mein Junge. Und
erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Marlowe schloß die Tür und setzte sich ans
Fußende des Bettes. Er zog den Scheck aus der Tasche, den er von
dem Großhändler in Covent Garden erhalten hatte, und legte
ihn vor den alten Mann hin. »Das ist passiert«, sagte er.
Papa Magellan betrachtete ungläubig den Scheck
und spitzte die Lippen. »Hundertsechzig Pfund!
Phantastisch!«
»Und das ist noch nicht alles«, sagte
Marlowe. »Morgen früh will der Mann noch mal eine
Fuhre.«
Magellan begann zu lachen. Dann bekam er einen
Hustenanfall. Als er schließlich wieder normal atmen konnte,
wischte er sich die Tränen aus den Augen und sagte matt:
»Ich fühle mich schon tausendmal besser. Ich wollte,
O'Connor wäre da – ich würde ihm so gern diesen Scheck
unter die Nase halten.«
Ein Wagen passierte das Tor. Marlowe trat ans Fenster
und blickte auf den Hof hinaus. Eine große schwarze Limousine
fuhr vor. Nach ein, zwei Sekunden öffnete sich die Tür, und
ein Mann stieg aus: O'Connor.
»Wer ist das?« erkundigte sich Papa Magellan.
Marlowe runzelte die Stirn. »Sieht so aus, als ginge ihr Wunsch in Erfüllung.«
Der alte Mann blickte verwirrt drein. »O'Connor, ja?« fragte er. »Aber was will der hier?«
Marlowe zuckte die Achseln. »Vielleicht einen
Kuhhandel mit Ihnen machen. Ich gehe mal nach unten und schaue, ob
ich's rauskriege.«
Als er die Haustür aufmachte, stand
O'Connor mit dem Rükken zu ihm und spähte über den Hof
zu den Gewächshäusern und den Feldern dahinter. Er drehte
sich langsam um und nahm seine Zigarre aus dem Mund. »Ein
schönes Anwesen«, sagte er. »Sehr schön.«
»Das finden wir auch«, entgegnete Marlowe.
Einige Momente lang sahen sie sich starr in die Augen,
und dann verzog sich das Gesicht des dicken Mannes zu einem
Lächeln. »Wollen Sie mich nicht ins Haus bitten?«
Marlowe trat achselzuckend beiseite. »Eigentlich
nicht«, sagte er. »Aber was soll's? Wir können das
Haus ja danach desinfizieren lassen.«
O'Connors Lächeln schwand dahin, aber dann setzte
er es mühsam wieder auf. »Wo ist der alte Herr? Ich bin
gekommen, um mit ihm zu reden. Nicht mit einem seiner
Handlanger.«
Marlowe tat einen Schritt vorwärts, und der dicke
Mann wich sofort zurück. »Ich will keinen Ärger«,
sagte er verängstigt. »Ich will dem alten Herrn nur einen
Vorschlag machen.«
Marlowe musterte ihn kalt. »Ich mag Sie nicht,
O'Connor«, sagte er. »Ich würde Ihnen liebend gern den
dicken Hals brechen. Vergessen Sie das nicht.«
Er wandte sich um und ging die Treppe hinauf, zeigte
O'Connor den Weg. Als er die Tür zu Magellans Zimmer öffnete,
wartete der alte Mann schon ungeduldig, noch ein Kissen im Rücken,
so aufrecht sitzend, als hätte er einen Ladestock verschluckt.
O'Connor trat schweratmend ein und
ließ sich in den Sessel am Fenster sinken. Die Sprungfedern
quietschten unheildrohend. Der dicke Mann zog ein Taschentuch aus
seinem Jackett und fuhr sich damit übers Gesicht. Das Atmen schien
ihm schwer zu fallen, und er fächelte sich mit seinem Hut Luft zu.
Nach einer Weile sagte er: »Mein Herz ist auch nicht mehr das,
was es einmal war.« Er schluckte und fuhr sich wieder mit dem
Taschentuch übers Gesicht. »Diese Treppe ist verdammt
steil.«
Papa Magellan erwiderte mit harter Stimme: »Hier
können Sie nicht mit Mitgefühl rechnen. Sagen Sie, was Sie zu
sagen haben –, und dann packen Sie sich.«
O'Connors Lächeln verschwand. »Na
schön«, meinte er. »Ich komme gleich zur Sache. Sie
sind mir im Weg, Magellan, und das möchte ich ändern. Ich
zahle Ihnen dreitausend Pfund für dieses Anwesen, Lastwagen
inklusive, und Ihre Hypothek tilge ich auch. Auf dem freien Markt
bekämen Sie nicht mal die Hälfte von dem, was ich biete, und
das wissen Sie ganz genau.«
Papa Magellan rückte seine Brille zurecht und
nahm seine Zeitung
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