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Gesichter der Nacht

Gesichter der Nacht

Titel: Gesichter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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nachdenken über das, was passiert
ist.«
    »Hast du genügend Geld?« fragte er.
      Sie lächelte und legte ihre Hand auf seinen Arm.
»Ja, jede Menge. Vielleicht bleibe ich sogar ein paar Tage in
London.«
    In diesem Moment blickte Marlowe
zufällig durch die Windschutzscheibe und sah eine schwarze
Limousine, die einige Meter vor dem Lastwagen an den Bordstein gefahren
war. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor. Die Tür öffnete sich,
und Faulkner – gepflegt und korrekt in einem eleganten Anzug aus
grauem Flanell, Homburg auf dem Kopf – stieg aus, drehte sich um
und richtete das Wort an jemanden, der noch im Wagen saß.
      Marlowe duckte sich rasch, und Jenny fragte: »Was ist los, Hugh?«
      »Der Mann, der da neben der Limousine
steht«, sagte Marlowe. »Das ist ein alter Bekannter von
mir, dem ich nicht begegnen möchte.«
      Faulkner reckte sich empor, und die Limousine rollte
davon. Er schien die Augen auf den Lastwagen zu heften. Dann wandte er
sich um, ging quer über den Bürgersteig und trat in ein
Restaurant.
      Jenny O'Connor drückte Marlowes Arm. »Jetzt
kannst du den Kopf wieder hochnehmen«, meinte sie. »Er ist
in ein Restaurant gegangen.« Sie öffnete die Tür,
sprang aus dem Lastwagen und sagte eindringlich: »Fahr los, Hugh.
Na, nun mach schon.« Sie mischte sich unter die Menge, und er
fädelte sich in den Verkehr ein. Er warf einen Blick zurück,
sah kurz ihr flachsblondes Haar –, und dann war sie verschwunden.
      Sein Gang zum Schließfach dauerte alles in allem
genau zehn Minuten. Die Firma öffnete um halb zehn, und er wartete
auf der Türstufe, seinen Schlüssel in der Hand. Als der
Angestellte den kleinen Safe aufmachte, bemerkte er freundlich:
»Lange her, seit Sie das letzte Mal bei uns vorbeigeschaut haben,
Sir.«
    Marlowe lächelte. »Ja. Ich war einige Zeit im Ausland.«
      Er hatte beinah Magenkrämpfe vor Aufregung. Der
Angestellte plauderte verbindlich, und aus seinen Worten wurde ein
bedeutungsloses Gemurmel. Die Tür zum Safe ging auf, und er nahm
die schäbige, altmodische Reisetasche heraus. Als sie den
Tresorraum verließen und die Treppe hinaufstiegen, redete er
immer noch, aber Marlowe hörte ihm nicht zu.
    Draußen schien sich der
Bürgersteig unter seinen Füßen zu bewegen. Die grelle
Morgensonne blendete ihn. Der Lastwagen stand in einer
Seitenstraße, und er mußte an sich halten, um nicht zu
rennen. Er kletterte ins Fahrerhaus und schlug die Tür zu. Er
stellte die Reisetasche neben sich auf den Sitz und zündete sich
mit fliegenden Fingern eine Zigarette an.
      Ein paar Minuten betrachtete er die Tasche nur. Weiter
nichts. Er merkte, daß ihm Schweiß aus den
Achselhöhlen rann, und bekam plötzlich einen trockenen Mund.
Mit einem leisen Fluch griff er nach der Tasche und riß sie auf.
      Das Geld war noch da. Lauter ordentliche kleine
Bündel, die meisten Scheine so glatt und sauber wie an dem Tag, an
dem sie von der Bank geholt worden waren. Er schaute sie einen
Augenblick an. Zwanzigtausend Pfund, dachte er, und sie gehören
mir. Ich habe dafür geschwitzt, und ich hab's mir verdient. Jeden
Penny.
    Er machte die Tasche zu und schob sie
unter den Sitz. Einen Moment später fuhr der Lastwagen nach
Norden, und Marlowe strahlte übers ganze Gesicht wie ein
glücklicher kleiner Junge.

    9

    Der Lastwagen holperte über das Kopfsteinpflaster auf dem Hof
und kam in der Scheune zum Halten. Marlowe stellte den Motor ab und sah
auf seine Uhr. Es war kurz vor zwei.
      Er zog die Reisetasche unterm Sitz hervor und sprang
aus dem Fahrerhaus. Einige Augenblicke stand er da, die Tasche in der
Hand wiegend, und schaute sich nach einem Versteck um. Am anderen Ende
der Scheune führte eine altersschwache Leiter auf einen Dachboden,
und er ging darauf zu und betrachtete sie prüfend.
      Die Leiter knarrte und schwankte, als er sie
emporstieg. Oben verharrte er einen Moment und ließ den Blick
über den Dachboden schweifen. Er war voll von Plunder, der sich im
Laufe vieler Jahre angesammelt hatte. Ein Lächeln huschte
über Marlowes Gesicht, und er stellte die Reisetasche neben
einigen alten Koffern ab und zog ein zerbröselndes Netz
darüber. Die Tasche sah so aus, als gehöre sie hierher, und
er stieg zufrieden die Leiter hinunter.
      Am Scheunentor blieb er stehen, um sich eine Zigarette
anzuzünden. Still lag das Anwesen da in der feuchten Wärme
des Nachmittags, und Marlowe sah niemanden, als er sich dem Haus
näherte.
      In der Küche brannte ein

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