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Gespenst aus der Zukunft

Gespenst aus der Zukunft

Titel: Gespenst aus der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Howard (Hrsg.)
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einiger Dinge gezweifelt, die der Staat tat. Ich fragte mich, weshalb die anderen Nationen der Welt so einheitlich blutrünstig waren – und, na ja, ich stellte hier und da Fragen. Man kann immer noch die Wahrheit erfahren, wenn man es geschickt anfängt und an die richtigen Leute herankommt.
    Man hatte mich als vielversprechenden jungen Physiker bei Forschungsarbeiten über Atomenergie eingesetzt – natürlich auf militärischem Gebiet. Eine Zeitlang hatte ich die Aufgabe, ausländische wissenschaftliche Zeitschriften zu lesen. Auf diese Weise wurde ich mit einer Physik bekannt, die nicht durch sozialistische Zweckmäßigkeit verfärbt war. Unter anderem stieß ich auf Berechnungen über die totale Umwandlung von Masse in Energie.
    Sie kann durchgeführt werden, wir wissen das. Materie bis zu einem Kilogramm kann unverzüglich in reine Strahlungs- und kinetische Energie umgewandelt werden. Unser eigenes militärisches Labor hatte so eine Bombe nahezu fertiggestellt. Zum Sprengen ganzer Kontinente, hah!
    Diese neuen Berechnungen zeigten jedoch, daß es alles andere als sicher war. Es war bekannt, daß durch das Freiwerden so intensiver Energien alle möglichen Reaktionen in der umliegenden Materie zu erwarten waren, aber unsere Wissenschaftler nahmen an, daß man die Wirkung rasch dämpfen könne. Die Arbeit, die ich studierte, zeigte – zu meiner Befriedigung, wie ich sagen kann –, daß sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Atmosphäre eine Kettenreaktion abspielen würde. Es würde etwa eine Minute dauern, bis diese Reaktion abgeebbt war – doch inzwischen würde sie sich um den ganzen Erdball fortgesetzt haben. Überall eine kurze Flamme, ein Stückchen Sonne in den Lungen jedes Lebewesens und dann das Ende.«
    Boris saß einen Moment lang schweigend da, bevor er weitersprach: »Selbstverständlich machte ich die Behörden darauf aufmerksam. Man befahl mir prompt, den Mund zu halten. Das Projekt lief weiter. Die eigenen Leute versicherten ihnen, daß die Warnung reine Propaganda sei. Nach der politischen Physik, die hier bei uns gilt, ist so eine Kettenreaktion unmöglich. Ich sah mir ihre Berechnungen an, und es war das Schlampigste an Mathematik, das ich je erlebt hatte. Die grundsätzlichen Annahmen waren so zurechtgeschneidert, daß sie die gewünschten Resultate ergeben mußten – ach was, zum Teufel damit.« Sein Fluch klang müde. »Ich versuchte meine Kollegen zu alarmieren. Man verhaftete mich wegen Sabotage. Durch etwas Glück und verzweifelte Anstrengungen gelang mir die Flucht. Ich ging zu meinem früheren Professor und Freund – dem einzigen Menschen, dem ich trauen konnte. Und dann kamen Sie.«
    »Einen Moment«, widersprach Ushtu. »Niemand kann so wahnsinnig sein und auch nur das Risiko eingehen, die ganze Rasse und damit sich selbst zu vernichten. Man kann doch keine Selbstmörder und Wahnsinnigen an die Spitze stellen ...«
    »Sie sind kein Mensch«, sagte Boris. »Sie können uns nicht verstehen. Ein Mensch, der nicht bis in die Tiefen des logischen Denkens vorgedrungen ist – und das kann man von keinem Politiker oder Amtsleiter behaupten –, kann sich von irgend etwas überzeugen. Er kann die wildesten Wahnideen rational erklären, wenn sein eigenes Wohlergehen davon abhängt.
    Und in diesem Fall ist es so. Nach nahezu zwei Generationen Parteiregierung haben sich die Dinge eher verschlimmert als verbessert. Die Armut stieg, die Tyrannei verstärkte sich, und die alte Entschuldigung, daß man von Feinden umgeben sei, wird allmählich schal. Denn obwohl es stimmt, daß die anderen Nationen unsere Regierung hassen und fürchten – weil sie wissen, daß bei uns die eigentlichen Aggressoren und Despoten sitzen – haben sie bisher noch nicht angegriffen. Sie haben lange gewartet. Sie haben einen Angriffsversuch nach dem anderen abgeschlagen, aber sie selbst haben nicht angegriffen.
    Wenn die Diktatur überleben will, braucht sie Krieg und zwar bald. Aber es muß ein siegreicher Krieg sein, und ich glaube, der Staat erkennt allmählich seine wachsende Schwäche. Daher dieses verrückte Projekt mit der Konversions-Bombe. Wenn der nächste Krieg schlecht für sie steht, können sie die eine Waffe einsetzen, die ihre Feinde nicht besitzen. Denn selbst wenn die ausländischen Physiker recht haben – was gibt es für die Staatsmänner noch zu verlieren?«
    Ushtu saß wortlos da, ohne sich zu rühren. Er war in seine eigenen düsteren Gedanken versunken.
    Konnte dieses gräßliche Versagen

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