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Gesponnen aus Gefuehlen

Gesponnen aus Gefuehlen

Titel: Gesponnen aus Gefuehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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würde ich mich gern zurückziehen.«
    Batiste musterte ihn abschätzend und nickte zustimmend.
     
    Nathan ging in sein Zimmer und warf sich auf sein Bett. Er zog das Medaillon, das er Lucy abgenommen hatte, aus der Hosentasche und ließ es vor seinem Gesicht baumeln. Dafür hatte sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt? Behutsam klappte er es auf und betrachtete die Gesichter ihrer Eltern. Lucy sah ihrer Mutter ähnlich. Das Bild war wahrscheinlich der Grund, weshalb Lucy so an dem Schmuckstück hing. Er klappte das Medaillon zu und stand auf. Eine der Dielen in dem Zimmer war lose. Schon als Junge hatte er dort Dinge versteckt, von denen er nicht wollte, dass sein Großvater sie fand. Damals waren es bunte Steine oder Münzen gewesen. Heute waren es das Medaillon und der Brief von Lucys Eltern, den Batiste Madame Moulin hatte stehlen lassen. Nathan fragte sich, weshalb seinem Großvater das Fehlen des Briefes noch nicht aufgefallen war.
     
    *********
     
    Draußen war es dunkel. Durch die Scheiben drang nur das Licht der Straßenlaternen. Es hinderte Lucy daran, einzuschlafen. Sie richtete sich auf. Mitsamt der Infusionsvorrichtung, die neben ihrem Bett stand, bewegte sie sich langsam zur Toilette. Sie betrachtete ihr Gesicht. Aus dem Spiegel schaute sie eine Fremde an. Ihre Augen waren rot geweint und Brandblasen zierten ihre Wangen. Die Salbe, die darauf getupft worden war, machte das Bild noch gruseliger. Sie ging zurück zum Bett und griff nach dem Wasserglas, das auf dem Nachtschrank stand.
    Vor ihrer Tür hörte sie leise Schritte und Stimmen. Sicherlich gehörten sie den Nachtschwestern, die regelmäßig nach ihr schauten. Sie legte sich wieder in ihr Bett, doch der Schlaf erlöste sie nicht von der Flut der Gedanken in ihrem schmerzgeplagten Kopf.
    Sie durfte nicht noch jemanden in Gefahr bringen. Madame Moulin und der Vikar waren tot. Sie wollte nicht auch noch Colin verlieren. Nathan hatte recht gehabt. Sie hätte Colin die Geschichte nicht erzählen dürfen. Jetzt war es zu spät. Er wusste bereits zu viel. Womöglich war es das Beste, wenn sie aus London verschwand. Die Frage war nur, wohin? Sie hatte weder finanzielle Mittel, noch Familie oder Freunde, bei denen sie unterschlüpfen konnte. Und sie durfte die Bücher nicht enttäuschen. Es musste ihr gelingen, sie vor Nathans Zugriff zu retten.
    An welcher Stelle war ihr Leben so kompliziert geworden? Fragen über Fragen galoppierten durch ihr Gehirn. Was hatte Nathan damit bezweckt, sie zu retten? Wie hatten er und sein Großvater überhaupt erfahren, dass Madame Moulin sie wegbringen wollte? Wie war dieses verdammte Feuer entstanden? Je mehr sie darüber nachdachte, umso sicherer wurde sie, dass alles nur ein Ablenkungsmanöver war. Batiste und Nathan hatten niemals vorgehabt, sie umzubringen. Sie wollten ihr einen Schreck einjagen, und sie zwingen, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Madame Moulin war ihnen im Wege gewesen. Jetzt, da sie tot war, war Lucy auf sich gestellt. Wenn Nathan es mit seiner Rettungsaktion geschafft hätte, ihr Vertrauen zu erobern, hätten die beiden leichtes Spiel gehabt. Lucy spann diesen Gedanken weiter. Womöglich hatten sie damit gerechnet, dass sie Nathan vor lauter Dankbarkeit keinen Wunsch mehr abschlug. Wut wallte in ihr auf. Was hatte er sich dabei gedacht? Die arme dumme Waise ist Wachs in meinen Händen, wenn ich sie auf meinen Armen durch das Feuer trage? Sie kam sich einfältig vor. Wie hatte sie auf ihn hereinfallen können? Hinter seiner schönen Fassade verbarg sich die Seele eines Teufels. Sie hätte es wissen müssen. Hatte sie denn nichts aus ihren Büchern gelernt? Waren es nicht immer die gleichen Männer, die Mädchen, wie sie um den Finger wickelten, um ihnen einen Dolch ins Herz zu stoßen? Das würde ihr nicht noch einmal passieren, schwor sie sich.
    Lucy schloss die Augen. Sie musste aufhören darüber nachzugrübeln, befahl sie sich. Aber an Schlaf war nicht zu denken. Sie war hellwach. Ein Gefühl drohender Gefahr ermächtigte sich ihrer. Ihre Nerven spannten sich zum Zerreißen. Minuten vergingen, in denen Lucy die Tür ihres Zimmers nicht aus den Augen ließ. Es würde etwas geschehen, das spürte sie deutlich. Etwas, das schlimmer war als das Feuer. Sie war nicht mehr in Sicherheit. Hilfe suchend tastete sie nach dem Medaillon an ihrem Hals. Es war nicht dort. Sie sprang auf und riss sich dabei den Infusionsschlauch aus dem Arm. Der Schmerz ließ sie schwindeln. Sie drückte mit den Fingern auf

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