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Gesprengte Ketten

Gesprengte Ketten

Titel: Gesprengte Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Stein
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besitzt ein Schreibbüro."
    "Was ist sie für ein Mensch?" Dr. Marquard fragte nicht aus Neugier, sondern weil er sich von seinen Patienten gern ein Bild machte.
    "Wie gesagt, wir hatten uns aus Augen verloren. Während unserer Schulzeit ist sie mit allen gut ausgekommen. Wenn jemand Hilfe brauchte, war sie da. Ich würde sagen, sie gehört zu den Menschen, die man leicht ausnutzen kann."
    "Danke, Celine." Der Arzt schenkte der jungen Frau ein flüc htiges Lächeln.
    "Frau Ravens sitzt im Sprechzimmer zwei", fügte Celine noch hi nzu und ging hinaus.
    Laura Ravens lehnte sich auf dem bequemen Stuhl, auf dem sie saß, zurück. Vor Müdigkeit fielen ihr fast die Augen zu. Sie musste sich Mühe geben, nicht einzuschlafen. Angestrengt ve rsuchte sie, sich auf die Eiche, deren Wipfel sie durch das Fenster sehen konnte, zu konzentrieren. Sie liebte Eichen. Sie vermittelten ihr ein Gefühl von Stärke und Beständigkeit.
    Die Tür öffnete sich. Dr. Julian Marquard trat mit einem L ächeln ins Sprechzimmer. Er bemerkte sofort die Müdigkeit und die Resignation, die Laura Ravens wie ein Mantel umgaben. "Hallo, ich bin Doktor Marquard", stellte er sich vor und reichte ihr die Hand. "Bleiben Sie sitzen, Frau Ravens", sagte er, als sie sich erheben wollte. Er nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Sein Blick fiel auf die noch fast leere Krankenkarte, die vor ihm lag. "Was führt Sie zu mir, Frau Ravens?" Er überlegte, wo er die junge Frau schon einmal gesehen hatte. Sie war ihm nicht ganz unbekannt.
    Laura sprach von ihren Beschwerden und davon, dass sie in den letzten Monaten von einem Arzt zum anderen gegangen war. "Keiner konnte mir helfen. Es ist ja auch seltsam, mal tut mir me ine Brust weh, dann sind es wieder die rechte Seite oder der Magen... Die Schmerzen wandern durch den ganzen Körper. Momentan ist es hauptsächlich mein Kopf. Heute Morgen wurde mir erst schwindlig, danach bekam ich heftige Kopfschmerzen. Gestern schmerzten meine Beine. Es ist kein Wunder, dass mich jeder für eine Hypochonderin hält. Meine Familie spricht es ganz deutlich aus."
    Julian hielt seine neue Patientin keineswegs für eine Hyp ochonderin. Er spürte ihre Verzweiflung, ihre Angst. "Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihre Unterlagen von den letzten Ärzten, die Sie behandelt haben, anfordere?", fragte er.
    Die junge Frau schüttelte den Kopf. "Behandelt wurde ich nicht. Angeblich gibt es ja nichts zu behandeln", erwiderte sie bitter. "Vermutlich werden Sie mich auch für eine Hypochonderin halten."
    "Ich bin weit davon entfernt, Frau Ravens", versicherte Dr. Marquard und ließ sich im Einzelnen ihre Beschwerden beschreiben. Er fragte nach ihren früheren Krankheiten und schrieb sich alles auf, danach erkundigte er sich nach ihren Lebensumständen.
    Bisher hatte noch keiner der Ärzte, die Laura aufgesucht hatte, eine so ausführliche Anamnese erstellt. Die junge Frau schilderte ihre Beschwerden so genau sie konnte. Sie sprach von ihrer A rbeit, die sie liebte, jedoch nicht davon, dass diese Arbeit von ihrer Familie nicht anerkannt wurde, weil sie dazu nicht das Haus verlassen musste. Sie erzählte von ihren Eltern und ihrer Schwester. Obwohl sie sich nicht ein einziges Mal beklagte, ahnte Dr. Marquard, dass der Grund für ihre Beschwerden wahrscheinlich in ihrer Familie lag.
    Er untersuchte Laura sehr gründlich, fand jedoch nichts Au ffälliges. "Morgen werden wir noch ein EKG machen", sagte er, nachdem sie sich wieder angezogen und an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. "Kommen Sie bitte wegen der Blutabnahme nüchtern."
    "Um wie viel Uhr soll ich kommen, Doktor Marquard?", e rkundigte sie sich.
    "Den Termin bekommen Sie gleich von meinen Sprechstu ndenhilfen", antwortete er. "Und ganz wichtig, Frau Ravens, gönnen Sie sich ein wenig Ruhe."
    "Ich werde es versuchen", versprach sie und verabschiedete sich von ihm.
    Dr. Marquard schaute nachdenklich auf seine Unterlagen. Plötzlich wusste er, woher er Laura Ravens kannte. Sie war in Begleitung von Jannic Eckstein gewesen, als er sie vor kurzem gesehen hatte. Der junge Versicherungskaufmann lebte mit seinen Eltern und seiner Schwester in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft.
    Laura ließ sich an der Rezeption einen Termin für den nächsten Morgen geben und verließ die Praxis. Sie fühlte sich wohler als vor ihrem Gespräch mit Dr. Marquard. Zum ersten Mal hatte sie bei einem Arzt das Gefühl, ernst genommen zu werden. Langsam stieg sie die Treppe hinunter.
    "Halt! Melina

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