Geständnis
Sanft legte sie ihre Hände auf seine Wangen und küsste
sein Gesicht - Stirn, Lippen, Nase, Kinn -, immer wieder, während
ihre Tränen wie Regen auf ihn fielen. Seit acht Jahren hatte sie
ihn nicht angefasst; die letzte Berührung war eine hastige,
verstohlene Umarmung gewesen, als er am Tag des Todesurteils aus
dem Gerichtssaal geführt worden war. Während sie jetzt weinte,
erinnerte sie sich an die unaussprechliche Qual, als sie zusehen
musste, wie er mit rasselnden Fußketten weggezerrt wurde, umringt
von übergewichtigen Polizeibeamten, als könnte er gleich den
nächsten Mord begehen, während die harten, selbstzufriedenen
Gesichter der Staatsanwälte, der Geschworenen und der Richterin
davon zeugten, wie stolz sie auf ihr Werk waren.
„ Ich hab dich lieb, Mom“, hatte er ihr über die Schulter
zugerufen, dann hatten sie ihn durch eine Tür geschubst, und er war
fort.
Seine Haut war weder kalt noch warm. Sie berührte die kleine
Narbe unter seinem Kinn, eine kaum sichtbare Erinnerung an eine
Auseinandersetzung mit Nachbarjungen im Alter von acht Jahren, bei
der er unterlegen war. Es war nicht die letzte gewesen. Er war hart
im Nehmen gewesen, nicht zuletzt, weil ihn sein älterer Bruder
Cedric ständig geärgert hatte. Hart im Nehmen, aber ein lieber
Junge. Sie berührte sein rechtes Ohrläppchen, in dem das winzige
Loch kaum zu sehen war. Als er fünfzehn war, hatte er sich einen
Ohrring gekauft, einen kleinen unechten Diamanten, den er trug,
wenn er mit seinen Freunden unterwegs war. Vor seinem Vater
versteckte er ihn allerdings. Riley hätte ihm das nicht durchgehen
lassen.
Ihr geliebter Junge, so friedlich und gesund lag er vor ihr.
Tot, aber nicht krank. Tot, aber nicht verletzt. Tot, aber nicht
verstümmelt. Sie untersuchte seine Arme, konnte jedoch keine
Einstiche der Injektionsnadeln finden. Es gab keinen Beweis für
seine Tötung, zumindest nicht äußerlich. Er schien zu schlafen und
nur darauf zu warten, dass ihm die nächste Droge verabreicht wurde,
eine, die ihn sanft weckte, damit er mit seiner Mutter nach Hause
gehen konnte.
Seine Beine waren ausgestreckt, die Arme lagen neben dem
Körper. Hubert Lamb hatte ihr erklärt, dass die Leichenstarre bald
einsetzen würde, daher hatte sie es eilig. Aus ihrer Handtasche
holte sie ein Taschentuch, um sich die Wangen abzuwischen, und eine
Schere, um Donte die Gefängniskleidung vom Körper zu schneiden. Sie
hätte das Hemd aufknöpfen können, aber stattdessen zerschnitt sie
erst die Vorderseite, dann die Ärmel, entfernte es Stück für Stück
und warf die Fetzen auf den Boden. Immer noch strömten ihr die
Tränen über die Wangen, aber jetzt summte sie ein altes Gospel,
„Take My Hand, Precious Lord“. Sie hielt inne, um über seinen
flachen Bauch, die weiche Brust und die Schultern zu reiben, und
wunderte sich, wie sehr er im Gefängnis geschrumpft war. Der
leidenschaftliche Sportler war verschwunden, hatte dem gebrochenen
Gefangenen Platz gemacht. Er war im Gefängnis einen langsamen Tod
gestorben.
Sie löste den billigen Segeltuchgürtel und ließ es sich nicht
nehmen, ihn in der Mitte durchzuschneiden und auf den Haufen zu
werfen. Am nächsten Tag, wenn sie allein war, wollte sie die
Gefängnisfetzen in ihrem Garten verbrennen, in einer privaten
Zeremonie, deren einzige Teilnehmerin sie selbst war. Sie löste die
Schnürsenkel der grässlichen Schuhe, zog ihm die Schuhe aus und tat
dasselbe mit den weißen Baumwollsocken. Sie schnitt die
Baumwollhose sorgfältig an den Nähten entlang auf und war im
Schritt ganz besonders vorsichtig. Von ihren drei Jungen war Cedric
der Modebegeisterte gewesen, der zwei Teilzeitjobs hatte, damit er
sich bessere Marken leisten konnte. Donte bevorzugte Jeans und
Pullover und konnte alles tragen. Alles, bis auf die
Gefängnisoveralls. Sie schnitt immer weiter und ließ die
Baumwollfetzen auf den Stapel wandern. Gelegentlich machte sie eine
Pause, um sich mit dem Handrücken über die Wangen zu fahren, aber
sie musste sich beeilen. Sein Körper wurde bereits steif. Sie ging
zu einem Waschbecken und öffnete den Hahn.
Die Boxershorts waren weiß und viel zu groß. Sie schnippelte
drauflos wie eine Schneiderin und entfernte sie. Der Stapel war
vollständig. Er war nackt, verließ die Welt so, wie er sie betreten
hatte. Sie spritzte Flüssigseife ins Waschbecken, ließ Wasser
nachlaufen, bis die Temperatur stimmte, und drehte den Hahn ab.
Dann tauchte sie einen Lappen in die Lauge und fing an, ihren Sohn
zu
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