Geständnis
Pappbechern voll schwarzem Kaffee und ein
paar Papiertüchern aus der Küche zurück. Boyette nahm ein Tuch und
wischte sich Gesicht und Kinn trocken. „Danke.“
Keith nahm seinen Platz wieder ein. „Was ist mit Nikki
passiert?“
Boyette schien bis zehn zu zählen, ehe er sprach. „Ich habe
sie immer noch.“
Keith hatte gedacht, er wäre auf jede mögliche Antwort
vorbereitet, aber das stimmte nicht. Konnte sie noch am Leben sein?
Unmöglich. Boyette hatte die vergangenen sechs Jahre im Gefängnis
verbracht, wie sollte er sie irgendwo versteckt halten? Er war
verrückt.
„ Wo ist sie?“, fragte Keith streng.
„ Vergraben.“
„ Wo?“
„ Missouri.“
„ Travis, Ihre einsilbigen Antworten halten uns auf. Sie sind
heute Morgen aus einem bestimmten Grund zu mir ins Büro gekommen,
nämlich weil Sie sich endlich alles von der Seele reden wollten. Da
Sie vorhin nicht den Mut dazu gefunden haben, bin ich jetzt hier.
Also, schießen Sie los.“
„ Was kümmert Sie das eigentlich?“
„ Ist das nicht offensichtlich? Ein Unschuldiger soll für ein
Verbrechen hingerichtet werden, das Sie begangen haben. Vielleicht
ist noch Zeit genug, um ihn zu retten.“
„ Das bezweifle ich.“
„ Haben Sie Nicole Yarber umgebracht?“
„ Ist das ein vertrauliches Gespräch, Reverend?“
„ Möchten Sie das denn?“
„ Ja.“
„ Warum? Warum nicht eine Beichte und dann ein volles Geständnis
ablegen, um Donte Drumm zu helfen? Das sollten Sie tun, Travis.
Ihre Tage sind gezählt, nach dem, was Sie mir heute Morgen gesagt
haben.“
„ Vertraulich oder nicht?“
Keith atmete tief durch und beging dann den Fehler, einen
Schluck Kaffee zu trinken. Travis hatte recht. „Wenn Sie auf meiner
geistlichen Schweigepflicht bestehen, Travis, dann soll es so
sein.“
Ein Lächeln, ein Zucken. Boyette sah sich um, obwohl niemand
sie beachtete. Er nickte. „Ich habe es getan, Reverend. Ich weiß
nicht, warum. Ich werde nie wissen, warum.“
„ Sie haben sie auf dem Parkplatz entfuhrt?“
Der Tumor dehnte sich wieder aus, und die Schmerzen schlugen
ein wie ein Blitz. Boyette fasste sich an den Kopf und wappnete
sich gegen den Sturm. Mit zusammengepressten Zähnen bemühte er sich
fortzufahren. „Ich habe sie überfallen und mitgenommen. Ich hatte
eine Waffe, sie hat sich kaum gewehrt. Wir haben die Stadt
verlassen. Ich habe sie ein paar Tage festgehalten. Wir hatten Sex.
Wir ...“
„ Sie hatten keinen Sex. Sie haben sie vergewaltigt.“
„ Ja, immer und immer wieder. Und dann habe ich es getan und sie
vergraben.“
„ Sie haben sie umgebracht?“
„ Ja.“
„ Wie?“
„ Stranguliert, mit einem Gürtel. Der ist immer noch um ihren
Hals gewickelt.“
„ Und Sie haben sie vergraben?“
„ Ja.“ Boyette betrachtete das Foto, und Keith glaubte beinahe,
ein Lächeln zu erkennen.
„ Wo?“
„ Südlich von Joplin, wo ich aufgewachsen bin. Da gibt es jede
Menge Hügel, Täler, Senken, Forstwege, Feldwege, die im Nichts
enden. Sie wird nie gefunden werden. Die sind noch nicht mal in
ihre Nähe gekommen.“
Eine lange Pause entstand, während sich die grausige Wahrheit
setzte. Gewiss bestand immer noch ein gewisses Risiko, dass Boyette
log, aber Keith konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen,
warum er das tun sollte. Was sollte es ihm bringen zu lügen, zumal
in seinem Zustand?
Die Lichter in der Küche erloschen, und das Radio wurde
abgestellt. Drei stämmige Schwarze kamen heraus und durchquerten
den Speisesaal. Keith wurde höflich gegrüßt, doch für Travis hatten
sie nur einen stummen Blick übrig. Als sie draußen waren, schlossen
sie die Tür hinter sich.
Keith nahm das ausgedruckte Foto und drehte es um. Er zog die
Kappe von seinem Kuli und fing an zu schreiben. „Wie wär's mit ein
paar Hintergrundinformationen, Travis?“
„ Klar. Ich habe nichts anderes zu tun.“
„ Was haben Sie in Slone gemacht?“
„ Ich habe bei einer Firma aus Fort Smith namens R. S. McGuire
& Sons gearbeitet. Eine Baufirma, die in Monsanto, westlich von
Slone, eine Lagerhalle errichten sollte. Ich war Hilfsarbeiter, es
war ein Scheißjob, aber was Besseres habe ich nicht gefunden. Die
haben noch nicht einmal den Mindestlohn gezahlt, mein Geld habe ich
bekommen wie die Mexikaner, schwarz, bar auf die Hand. Sechzig
Stunden die Woche, ohne Überstunden, keine Versicherung, kein
Zeugnis, gar nichts. Sparen Sie sich die Mühe, bei der Firma nach
mir zu fragen, ich war nie offiziell angestellt. Gewohnt
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