Geständnis
Telefonnummern hinterlassen habe, bis jetzt aber noch
keinen Rückruf erhalten habe. „Ich habe Informationen über den Mord
an Nicole Yarber“, sagte er.
„ Welche Art von Informationen?“, fragte sie. „Ich muss mit Mr.
Flak sprechen“, erwiderte Keith mit fester Stimme.
„ Ich werde es ihm ausrichten“, sagte die junge Dame mit ebenso
fester Stimme.
„ Hören Sie, ich bin keiner dieser Spinner. Es ist sehr
wichtig.“
„ Ich verstehe. Vielen Dank für Ihren Anruf.“
Keith beschloss, gegen seine Schweigepflicht als Geistlicher
zu verstoßen, was möglicherweise Konsequenzen hatte. Zum einen
konnte Boyette ihn auf Schadenersatz verklagen, worüber sich Keith
allerdings keine Gedanken machte. Der Gehirntumor würde sämtliche
Rechtsstreitigkeiten von vornherein verhindern. Und sollte Boyette
aus irgendwelchen Gründen weiterleben, müsste er erst einmal
nachweisen, dass ihm durch Keiths Verstoß gegen die Schweigepflicht
ein Schaden entstanden war. Keith kannte sich mit
Rechtsangelegenheiten nicht aus, aber es fiel ihm schwer, zu
glauben, dass ein Richter oder Geschworene für ein derart
verkommenes Subjekt auch nur einen Funken Mitleid haben
würden.
Zum anderen bestand die Möglichkeit disziplinarischer
Maßnahmen seitens der Kirche. Doch angesichts der Situation - und
besonders angesichts der Tatsache, dass die Synode eine eher
liberale Haltung pflegte - würde er wohl mit einem blauen Auge
davonkommen.
Scheiß drauf, sagte er sich. Ich werde reden.
Er verfasste eine E-Mail an Robbie Flak, schrieb, wer er war,
und nannte sämtliche Telefonnummern und Adressen. Dann schilderte
er seine Begegnung mit einem auf Bewährung aus der Haft entlassenen
Mann, dessen Namen er jedoch nicht nannte. Besagter Mann habe
früher in Slone gelebt, auch zu dem Zeitpunkt, zu dem Nicole
verschwunden sei, besitze ein ellenlanges Vorstrafenregister, in
dem es von Gewaltverbrechen nur so wimmele, und sei auch einmal in
Slone verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Er
habe das überprüft. Der Mann habe zugegeben, Nicole Yarber
vergewaltigt und ermordet zu haben, und zahlreiche Details genannt.
Ihre Leiche sei in den Hügeln südlich von Joplin, Missouri,
vergraben, wo der Mann aufgewachsen sei. Der Einzige, der die
Leiche finden könne, sei der Mann selbst. Bitte rufen Sie mich an.
Keith Schroeder.
Eine Stunde später verließ Keith das Büro und führ erneut zum
Anchor House. Niemand hatte Boyette gesehen. Er kehrte ins
Stadtzentrum zurück und traf sich noch einmal mit Matthew Burns zum
Mittagessen. Nach einer heftigen Diskussion und viel gutem Zureden
zog Matthew sein Handy aus der Tasche und rief in Flaks Kanzlei an.
Keith hörte ihn sagen: „Ja, hallo, Matthew Burns. Ich bin
Staatsanwalt in Topeka, Kansas, und würde gern mit Mr. Robbie Flak
sprechen.“
Mr. Flak war nicht zu sprechen.
„ Ich habe Informationen über den Fall Donte Drumm, genauer
gesagt über die Identität des wirklichen Mörders.“ Mr. Flak war
immer noch nicht zu sprechen. Matthew hinterließ die Telefonnummern
seines Handys und seines Büros und bat die Rezeptionistin, sich die
Seite der Staatsanwaltschaft auf der Homepage der City of Topeka
anzusehen, um seine Identität zu überprüfen. Sie versprach es
ihm.
„ Ich bin keiner von diesen Verrückten. Bitte sorgen Sie dafür,
dass Mr. Flak mich so schnell wie möglich zurückruft.
Danke.“
Sie aßen zu Ende und vereinbarten, sich gegenseitig zu
verständigen, falls ein Anruf aus Texas kam. Als Keith wieder in
die Pfarrei führ, war er erleichtert, dass er einen Freund hatte,
einen Anwalt noch dazu, der ihm helfen wollte.
Gegen Mittag hatte man sämtliche Straßen im Stadtzentrum von
Slone gesperrt und den Verkehr umgeleitet. Dutzende Busse und Vans
verschiedener Kirchengemeinden waren in Doppelreihen um das
Gerichtsgebäude geparkt, doch die Polizei stellte keinen einzigen
Strafzettel aus. Sie hatte die Anweisung bekommen, für Ruhe und
Ordnung zu sorgen und auf keinen Fall jemanden zu provozieren. Die
Nerven aller lagen blank. Die Atmosphäre war gespannt. Die meisten
Händler sperrten ihre Geschäfte zu, und die meisten Weißen suchten
das Weite.
Die ausschließlich aus Schwarzen bestehende Menge wurde immer
größer. Hunderte Schüler der Slone High School schwänzten den
Unterricht und versammelten sich in großen Gruppen, gewaltbereit
und begierig darauf, sich Gehör zu verschaffen. Arbeiter der
umliegenden Fabriken kamen mit ihren Lunchpaketen und aßen,
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