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Geständnis

Titel: Geständnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bernd
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kurzer Zeit stellte sich heraus, dass
Palomar einen Hang zum Dramatischen hatte. Von einem Blatt Papier
las er die Namen der Schwarzen ab, die für die Footballmannschaft
der Slone High School spielten. Die jungen Männer kamen
nacheinander zum Podium und stellten sich in einer Reihe auf der
obersten Stufe der Treppe auf. Alle trugen das königsblaue Trikot
der Slone Warriors. Als alle achtundzwanzig Spieler Schulter an
Schulter hinter Palomar standen, verkündete dieser etwas
Schockierendes: „Die Spieler stehen hier zusammen mit unserem
Bruder Donte Drumm. Wenn die Menschen in dieser Stadt, in diesem
County, in diesem Staat ihr illegales, verfassungswidriges Tun
fortsetzen und morgen Abend Donte Drumm töten, werden wir am
Freitag beim Spiel gegen Longview nicht antreten.“
    Die Menge brach in laute Beifallsrufe aus, die die Fenster des
Gerichtsgebäudes erzittern ließen. Palomar sah die Spieler an, und
auf sein Stichwort hin zogen alle achtundzwanzig ihr Trikot über
den Kopf und warfen es vor sich auf den Boden. Unter den Trikots
trugen sie weiße T-Shirts, die mit einem Porträtfoto von Donte
bedruckt waren. Darunter stand in Großbuchstaben das Wort
UNSCHULDIG. Mit stolzgeschwellter Brust stießen die Spieler ihre
Fäuste in die Luft. Die Menschenmenge bedachte sie mit begeistertem
Applaus.
    „ Wir werden morgen nicht in die Schule gehen!“, brüllte Palomar
ins Mikrofon. „Und am Freitag auch nicht!“
    „ Und am Freitagabend wird es kein Footballspiel
geben!“
     
    Die Kundgebung wurde live von einem Lokalsender übertragen,
und fast alle Weißen in Slone starrten wie gebannt auf ihren
Fernseher. In Banken, Schulen, Privathäusern und Büros hörte man
immer das Gleiche:
    „ Das können sie doch nicht machen!“
    „ Aber natürlich können sie das machen. Wie willst du sie daran
hindern?“
    „ Sie sind zu weit gegangen.“
    „ Nein, wir sind zu weit gegangen.“
    „ Dann hältst du ihn also für unschuldig?“
    „ Das weiß ich nicht. Das weiß niemand. Und genau das ist das
Problem. Es gibt einfach zu viele Zweifel.“
    „ Er hat gestanden.“
    „ Die Leiche wurde nie gefunden.“
    „ Warum kann man das Ganze nicht für ein paar Tage stoppen,
durch einen Aufschub der Hinrichtung oder so etwas in der
Art?“
    „ Warum?“
    „ Sie sollen warten, bis die Footballsaison zu Ende
ist.“
    „ Mir wäre es lieber, wenn es nicht zu Unruhen
kommt.“
    „ Wenn sie Krawall machen, landen sie vor Gericht.“
    „ Darauf würde ich nicht wetten.“
    „ Die Stadt wird explodieren.“
    „ Man sollte sie alle aus der Mannschaft werfen.“
    „ Für wen halten die sich eigentlich? Sie können doch nicht
einfach das Spiel absagen!“
    „ Wir haben vierzig weiße Jungs, die spielen können.“
    „ Da hast du verdammt recht.“
    „ Der Trainer sollte sie alle aus der Mannschaft
werfen.“
    „ Und wenn sie die Schule schwänzen, sollte man sie
verhaften.“
    „ Was für eine brillante Idee. Da kann man ja gleich Öl ins
Feuer gießen.“
    An der Highschool sah sich der Trainer der Footballmannschaft
die Kundgebung im Büro des Rektors an. Der Trainer war weiß, der
Rektor schwarz. Sie starrten auf den Fernseher und sagten kein
Wort.
    Im Polizeipräsidium, das drei Häuserblocks vom Gerichtsgebäude
entfernt an der Main Street lag, schaute sich Polizeichef Joe
Radford die Übertragung mit seinem Stellvertreter zusammen an. Für
die Polizei von Slone arbeiteten vier Dutzend Polizeibeamte in
Uniform, von denen dreißig gerade vor dem Gerichtsgebäude standen
und nervös die Akteure der Kundgebung im Auge behielten.
    „ Wird die Hinrichtung stattfinden?“, fragte der
stellvertretende Polizeichef.
    „ Soweit ich weiß, ja“, antwortete Radford. „Ich habe vor einer
Stunde mit Paul Koffee gesprochen, und er meint, dass alles wie
geplant läuft.“
    „ Wir brauchen vielleicht Verstärkung.“
    „ Nein. Sie werden ein paar Steine werfen, aber das legt sich
schon wieder.“
    Paul Koffee sah sich die Liveübertragung an seinem
Schreibtisch sitzend an, während er ein Sandwich und Kartoffelchips
aß. Sein Büro lag zwei Blocks hinter dem Gerichtsgebäude, und wenn
die Menschenmenge applaudierte und zu jubeln begann, konnte er das
hören. Für ihn waren solche Demonstrationen ein notwendiges Übel in
einem Land, das seinen Bürgern bestimmte Grundrechte garantierte.
Es stand jedem frei, an einer Versammlung teilzunehmen - die vorher
natürlich genehmigt werden musste - und seine Meinung zu sagen.

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