Geständnis
spät. Wenn ich ihn jetzt nochmal sehen würde, würde ich
zu einem Baseballschläger greifen und mit seinem Gehirn eine Wand
tapezieren. Ich hatte eine ziemlich verkorkste Kindheit. Schätze
mal, ich bin nie darüber hinweggekommen. Kann ich hier drin
rauchen?“
„ Nein.“
„ Können wir dann irgendwo halten, damit ich eine rauchen
kann?“
„ Sicher.“ Nach einigen Kilometern hielten sie an einer
Raststätte und legten eine Pause ein. Reiths Handy klingelte schon
wieder. Noch ein Anruf von Matthew Burns, den er nicht
entgegennahm. Boyette entfernte sich vom Wagen und verschwand in
einem kleinen Wäldchen hinter den Toiletten, eine Tabakwolke hinter
sich herziehend. Reith ging auf dem Parkplatz hin und her und
versuchte, seinen Kreislauf in Schwung zu bekommen, während er
seinen Begleiter im Auge behielt. Als Boyette in der Dunkelheit
verschwunden war, fragte Keith sich, ob er wiederkommen würde. Er
hatte genug von dieser Fahrt, und falls er sie hier und jetzt
beenden konnte, käme ihm das nur entgegen. Er würde nach Hause
fahren, allein, und sich schon einmal auf die Standpauken
einstellen, die seine Frau und Matthew ihm halten würden. Mit etwas
Glück würde niemand etwas von seiner fehlgeschlagenen Mission
erfahren. Und Boyette würde das tun, was er immer tat - bis er
starb oder wieder verhaftet wurde.
Und wenn er wieder ein Verbrechen beginge? Hätte Keith dann
eine Mitschuld?
Minuten vergingen. In dem Wäldchen rührte sich nichts. An
einem Ende des Parkplatzes waren ein Dutzend Sattelschlepper, deren
Fahrer schliefen, mit brummenden Generatoren abgestellt.
Keith lehnte sich an den Wagen und wartete. Er hatte den Mut
verloren und wollte nach Hause. Er wollte, dass Boyette in dem
Wäldchen blieb, weiterging, immer weiter, einfach verschwand. Dann
dachte er an Donte Drumm.
Zwischen den Bäumen war der Rauch einer Zigarette zu sehen.
Boyette kam zurück.
Sie legten einige Kilometer zurück, ohne dass ein Wort
gesprochen wurde. Boyette schien die Vergangenheit vergessen zu
haben, obwohl die Details dazu vor ein paar Minuten nur so aus ihm
herausgesprudelt waren. Beim ersten Anzeichen von Müdigkeit
versuchte Keith, ihn wieder zum Reden zu bringen.
„ Sie wohnten in Joplin. Onkel Chett war gekommen und
gegangen.“
Das nervöse Zucken. Fünf, zehn Sekunden verstrichen, dann
sagte Boyette: „Ahm, ja, wir wohnten in einem Trailer außerhalb der
Stadt, in der Gegend, in der die Armen wohnten. Wir lebten immer
dort, wo die Armen leben, aber ich kann mich noch daran erinnern,
dass ich sehr stolz war, weil wir einen schönen Trailer hatten. Er
war gemietet, aber das wusste ich damals nicht. Neben dem
Trailer-Park verlief eine kleine, asphaltierte Straße, die
kilometerweit weiterging, bis in die Hügel südlich von Joplin in
Newton County. Es gab kleine Flüsse, bewaldete Täler und
unbefestigte Straßen. Für Kinder ein Paradies. Wir sind stundenlang
mit unseren Rädern auf diesen Wegen herumgefahren, und nie hat uns
jemand gefunden. Manchmal haben wir Bier und Schnaps aus dem
Trailer oder aus einem Geschäft gestohlen und sind dann in die
Hügel abgehauen, um Party zu machen. Einmal hatte ein Junge namens
Damian einen Beutel Gras dabei, den er seinem großen Bruder
gestohlen hatte. Wir waren so bekifft, dass wir uns nicht auf den
Rädern halten konnten.“
„ Und dort ist Nicole vergraben?“
Keith zählte bis elf, bevor Boyette antwortete. „Ich denke
schon. Irgendwo da draußen. Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich
nicht mehr genau daran erinnern. Ich war damals ganz schön
betrunken. Ich habe mich wirklich bemüht, mich zu erinnern. Gestern
habe ich sogar versucht, eine Karte zu zeichnen. Aber es wird
schwierig. Falls wir überhaupt so weit kommen.“
„ Warum haben Sie sie dort vergraben?“
„ Ich wollte nicht, dass jemand sie findet. Was ja auch geklappt
hat.“
„ Woher wissen Sie, dass es geklappt hat? Woher wissen Sie, dass
man ihre Leiche noch nicht gefunden hat? Sie haben sie vor neun
Jahren dort vergraben. Und die letzten sechs Jahre waren Sie im
Gefängnis, wo Sie keine Nachrichten gehört haben.“
„ Reverend, Sie können sich darauf verlassen, dass man sie nicht
gefunden hat.“
Und Keith verließ sich darauf. Er glaubte Boyette, und die
Tatsache, dass er diesem hartgesottenen Kriminellen so vieles
glaubte, war frustrierend. Als sie sich Wichita näherten, war er
hellwach. Boyette hatte sich in sein trauriges kleines
Schneckenhaus zurückgezogen. Von Zeit zu Zeit
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