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Geständnis

Titel: Geständnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bernd
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über ihnen in kaltes Licht getaucht. Sie
waren noch nicht weit gekommen, Texas war noch Lichtjahre entfernt.
Nachdem Keith mit einer Kreditkarte gezahlt hatte, stellte er fest,
dass er noch dreiunddreißig Dollar in bar in der linken Hemdtasche
hatte. Er hätte sich ohrfeigen können, weil er es versäumt hatte,
die eiserne Reserve zu plündern, die sie in einem Küchenschrank
versteckt hielten. Die Zigarrenkiste dort enthielt fast immer rund
zweihundert Dollar.
    Eine Stunde südlich von Topeka wurde die
Geschwindigkeitsbegrenzung auf hundertzehn Kilometer pro Stunde
angehoben, und Keith schaffte es, den alten Subaru auf
hundertzwanzig zu bringen. Boyette hatte bis jetzt noch keinen Ton
gesagt. Er saß in sich zusammengesunken da, die Hände auf die Knie
gelegt, und starrte durch das Fenster auf der Beifahrerseite ins
Leere. Keith ignorierte ihn. Schweigen war ihm lieber. Zwölf
Stunden lang neben einem Fremden zu sitzen, war schon unter
normalen Umständen schwierig. Doch Schulter an Schulter neben
jemandem zu reisen, der so gewalttätig und eigenartig war wie
Boyette, würde die Fahrt mit Sicherheit zu einer sehr
anstrengenden, zermürbenden Angelegenheit machen.
    Als Keith es sich in der Stille gerade gemütlich gemacht
hatte, brach eine Welle der Müdigkeit über ihn herein. Die Augen
fielen ihm zu und öffneten sich erst wieder, als er den Kopf nach
hinten riss. Er konnte nur noch verschwommen sehen. Der Subaru
bewegte sich zielstrebig auf den rechten Straßenrand zu, und Keith
musste gegensteuern. Er zwickte sich in die Wangen. Wenn er allein
gewesen wäre, hätte er sich ein paar Ohrfeigen verpasst. Boyette
bekam von alldem nichts mit.
    „ Wie wäre es mit etwas Musik?“, fragte Keith. Irgendetwas, das
sein Gehirn wach rüttelte. Boyette nickte nur. „Was
Bestimmtes?“
    „ Es ist Ihr Wagen.“
    Ja, es war sein Wagen. Sein Lieblingssender spielte nur
Classic Rock. Keith stellte das Radio lauter, und nach kurzer Zeit
trommelte er mit den Fingern auf dem Lenkrad herum, bewegte den
linken Fuß im Takt und sang lautlos mit. Die Musik hatte den Nebel
in seinem Gehirn vertrieben, doch er war immer noch verblüfft
darüber, wie schnell ihm die Augen zugefallen waren.
    Nur noch elf Stunden Fahrt. Er dachte an Charles Lindbergh und
dessen Alleinflug nach Paris. Dreiunddreißigeinhalb Stunden, und in
der Nacht vor dem Abflug in New York hatte er nicht geschlafen.
Lindbergh schrieb später, dass er sechzig Stunden lang wach gewesen
sei. Reiths Bruder war Pilot und erzählte gern
Geschichten.
    Er dachte an seinen Bruder, an seine Schwester und an seine
Eltern. Als er wieder einzunicken drohte, sagte er: „Travis, wie
viele Geschwister haben Sie?“
    Reden Sie mit mir, Travis. Sagen Sie was, irgendwas, um mich
wach zu halten. Beim Fahren können Sie mir nicht helfen, weil Sie
keinen Führerschein haben. Sie haben keine Versicherung. Dieses
Lenkrad werden Sie nicht anfassen. Also los, Travis, tun Sie was,
bevor wir einen Unfall bauen.
    „ Das weiß ich nicht“, erwiderte Boyette nach der
obligatorischen Pause zum Nachdenken.
    Seine Antwort lichtete den Nebel in Reiths Gehirn effektiver
als Bruce Springsteen oder Bob Dylan. „Sie wissen es nicht? Wie
meinen Sie das?“
    Ein leichtes Zucken. Boyettes Blick wanderte vom Fenster auf
der Beifahrerseite zur Windschutzscheibe. „Na ja“, sagte er. Dann
machte er eine Pause. „Mein Vater hat meine Mutter kurz nach meiner
Geburt verlassen. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Meine Mutter war
dann mit einem Mann namens Darrell zusammen, und da er der erste
Mann war, an den ich mich erinnern kann, dachte ich immer, Darrell
wäre mein Vater. Meine Mutter sagte, er sei es, also nannte ich ihn
Dad. Ich hatte einen älteren Bruder, und der nannte ihn auch Dad.
Darrell war ganz in Ordnung, er hat mich nie geschlagen oder so,
aber er hatte einen Bruder, der mich missbrauchte. Als ich das
erste Mal vor Gericht stand - ich glaube, da war ich zwölf -, wurde
mir klar, dass Darrell nicht mein richtiger Vater war. Das war
schlimm. Ich war am Boden zerstört. Und dann verschwand Darrell
einfach.“
    Wie viele von Boyettes Antworten warf auch diese weitere
Fragen auf. Und sie brachte Reiths Gehirn auf Hochtouren. Plötzlich
war er hellwach. Und fest entschlossen, diesen Psychopathen zu
enträtseln. Schließlich hatte er in den nächsten Stunden nichts
anderes zu tun. Sie saßen in seinem Wagen. Er konnte fragen, was er
wollte.
    „ Dann haben Sie also nur einen Bruder?“
    „ Nein, ich

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