Geständnis
schob sich zwischen die beiden. „Jetzt mal ganz
ruhig.“
Der Direktor wich zurück und sagte etwas zu Ruth. Die beiden
waren in eine ernste Unterhaltung vertieft, während sie zur Tür
gingen. Dann verließ der Direktor den Raum.
Der Texas Court of Criminal Appeals (TCCA) ist ausschließlich
für Mordfälle zuständig und das letztinstanzliche Gericht in Texas,
bevor ein Häftling ein Bundesgericht anruft. Es besteht aus neun
Richtern, die alle gewählt werden und im ganzen Bundesstaat
kandidieren müssen. 2007 hielt dieses Gericht noch an der
archaischen Regel fest, dass sämtliche Schriftsätze, Einsprüche,
Anträge, Dokumente und dergleichen als Ausdruck eingereicht werden
mussten. Online und in elektronischer Form war das nicht möglich.
Schwarze Tinte auf weißem Papier, und das tonnenweise. Jeder Antrag
musste in zwölffacher Ausfertigung vorgelegt werden, eine Kopie für
jeden Richter, eine für die Geschäftsstelle, eine für die
Sekretärin und eine für die offizielle Akte.
Es war eine groteske und umständliche Prozedur. Der Federal
Court for the Western District of Texas, der nur wenige
Häuserblocks vom TCCA entfernt liegt, führte die Einreichung von
Anträgen in elektronischer Form Mitte der 1990er Jahre ein. Zur
Jahrtausendwende, mit zunehmender Verbreitung der entsprechenden
Technologien, waren Einreichungen in Papierform schon fast
veraltet. Und inzwischen ist die elektronische Akte sowohl bei
Gerichten als auch in Kanzleien weitaus gängiger als die Papierakte
von gestern.
Am Donnerstag um neun Uhr wurden die Kanzlei Flak und die
Anwälte der Defender Group darüber in Kenntnis gesetzt, dass der
Antrag auf Unzurechnungsfähigkeit abgelehnt worden war. Das Gericht
glaubte nicht, dass Donte geisteskrank war. Das war zu erwarten
gewesen. Nur wenige Minuten, nachdem die Ablehnung eingegangen war,
wurde beim Federal Court for the Eastern District of Texas in Tyler
elektronisch ein identischer Antrag eingereicht.
Um 9.30 Uhr betrat eine Anwältin der Defender Group namens
Cicely Avis die Geschäftsstelle des TCCA, um den neuesten
Schriftsatz der Anwälte von Donte Drumm einzureichen. Es wurde
beantragt, Donte für unschuldig zu erklären, auf der Grundlage der
heimlich aufgenommenen Aussage von Joey Gamble. Cicely reichte
solche Dokumente öfter ein, und sie und der Leiter der
Geschäftsstelle kannten sich gut.
„ Was kommt noch?“, fragte er, während er den Antrag
aufnahm.
„ Irgendwas kommt mit Sicherheit“, erwiderte Cicely. „Wie immer
eben.“
Der Mann gab Cicely ein Exemplar des Schriftsatzes mit einem
Eingangsvermerk zurück und wünschte ihr einen schönen Tag. Da die
Angelegenheit dringend war, übernahm er es selbst, jeweils eine
Kopie des Antrags in die Büros aller neun Richter zu bringen. Drei
von ihnen wohnten in Austin. Die übrigen sechs lebten in ganz Texas
verstreut. Der Vorsitzende Richter war ein Mann namens Milton
Prudlowe, der dem Gericht schon seit vielen Jahren angehörte und
die meiste Zeit des Jahres in Lubbock wohnte, in Austin aber noch
eine kleine Wohnung hatte.
Prudlowe und sein Assistent lasen den Antrag durch und
beschäftigten sich vor allem mit der aus acht Seiten bestehenden
Mitschrift der Aufnahme, auf der Joey Gamble in der Nacht zuvor in
einem Striplokal in Houston sein Herz ausgeschüttet hatte. Die
Mitschrift war zwar recht unterhaltsam, aber alles andere als eine
eidesstattliche Erklärung, und es war klar, dass Gamble alles
abstreiten würde, wenn man ihn damit konfrontierte. Die Aufnahme
war ohne sein Einverständnis gemacht worden. Es war mehr als
dubios. Der junge Mann war offensichtlich betrunken gewesen. Und
selbst wenn er noch eine ordentliche Aussage machen würde und sich
zweifelsfrei herausstellte, dass er bei dem Prozess gelogen hatte,
was würde das beweisen? Prudlowes Meinung nach fast nichts. Donte
Drumm hatte gestanden, so einfach war das. Über den Fall Drumm
hatte sich Milton Prudlowe nie viele Gedanken gemacht.
Vor sieben Jahren hatten er und seine Kollegen über die erste
Berufung von Donte Drumm entschieden. Sie konnten sich noch gut
daran erinnern, nicht wegen des Geständnisses, sondern wegen der
Tatsache, dass es keine Leiche gab. Das Urteil wurde jedoch
bestätigt, und zwar einstimmig. Die Gesetzgebung von Texas hatte
sich mit dieser Problematik bereits beschäftigt. Bei Mordprozessen
ohne eindeutige Beweise dafür, dass ein Mord stattgefunden hatte,
wurden einige der sonst üblichen Formalien schlicht als
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