Geständnis
Vielleicht
hat man Glück und erreicht einen Aufschub, was ich vor zwei Jahren
ja auch geschafft habe, aber früher oder später ist die Zeit um. Ob
man schuldig oder unschuldig ist, ist ihnen egal, es geht ihnen nur
darum, der Welt zu zeigen, dass sie hart durchgreifen. Leg dich
nicht mit Texas an. Kommt dir das irgendwie bekannt
vor?“
„ Ich möchte nicht, dass du wütend bist, Donte“, sagte Roberta
leise.
„ Es tut mir leid, Mom, aber ich werde wütend sterben. Ich kann
es nicht ändern. Einige von den Jungs hier gehen friedlich, sie
singen Kirchenlieder, zitieren aus der Bibel, bitten um Vergebung.
Der Typ letzte Woche sagte: >Vater, ich befehle meinen Geist in
deine Hände.< Einige sagen gar nichts, sie machen nur die Augen
zu und warten auf das Gift. Und ein paar wehren sich. Todd
Willingham ist vor drei Jahren gestorben, und er hat bis zuletzt
seine Unschuld beteuert. Angeblich hat er das Feuer gelegt, in dem
seine drei kleinen Töchter umgekommen sind. Dabei war er im Haus
und wurde bei dem Brand verletzt. Er war ein Kämpfer. Mit seinen
letzten Worten hat er sie alle verflucht.“
„ Tu das nicht, Donte.“
„ Ich weiß nicht, was ich tun werde. Vielleicht werde ich ja gar
nichts tun. Vielleicht werde ich mit geschlossenen Augen daliegen
und anfangen zu zählen, und wenn ich bei hundert bin, schwebe ich
einfach davon. Aber du wirst nicht dabei sein.“
„ Darüber haben wir doch schon gesprochen.“
„ Und jetzt sprechen wir wieder darüber. Ich möchte nicht, dass
du dir das ansiehst.“
„ Ich will es auch nicht, das kannst du mir glauben. Aber ich
werde da sein.“
„ Ich werde mit Robbie reden.“
„ Ich habe schon mit ihm geredet. Er weiß, wie ich dazu
stehe.“
Langsam nahm Donte seine linke Hand vom Plexiglas, und Roberta
tat das Gleiche. Sie legte den Telefonhörer auf die Tischplatte und
holte ein Stück Papier aus der Hosentasche. Hinter der
Sicherheitsschleuse waren keine Handtaschen erlaubt. Sie faltete
das Papier auseinander, nahm den Hörer wieder in die Hand und
sagte: „Donte, das ist eine Liste der Leute, die angerufen haben
oder vorbeigekommen sind, um sich nach dir zu erkundigen. Ich habe
versprochen, dass ich dir ihre Grüße ausrichten werde.“
Er nickte und versuchte zu lächeln. Roberta ging die Namen
durch - Nachbarn, alte Freunde aus seiner Straße, frühere
Klassenkameraden, Mitglieder seiner Kirchengemeinde und einige
entfernte Verwandte. Donte hörte zu, ohne etwas zu sagen. Er schien
mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Roberta las einen Namen
nach dem anderen vor, und bei jedem fügte sie einen kurzen
Kommentar über die Person oder eine kleine Anekdote
hinzu.
Dann war Andrea an der Reihe. Auch sie legte ihre Hand zur
Begrüßung an das Plexiglas. Sie erzählte von dem Brand in der
Baptistenkirche, der angespannten Lage in Slone, der Angst, dass es
noch schlimmer werden würde. Donte schien das zu gefallen.
Anscheinend fand er es gut, dass die Schwarzen
zurückschlugen.
Die Familie hatte schon vor Jahren festgestellt, wie wichtig
es war, genügend Geldmünzen dabeizuhaben. An den Wänden standen
Verkaufsautomaten, und die Wärter brachten den Häftlingen Snacks
und Getränke während der Besuche. Donte hatte im Gefängnis stark
abgenommen, aber er hatte immer noch eine Schwäche für
Zimtschnecken mit dickem Zuckerguss. Während Robert und Andrea vor
der Plexiglasscheibe saßen, kaufte Marvin zwei Zimtschnecken und
eine Dose Limonade, und Ruth brachte alles zu Donte. Das Junkfood
besserte seine Laune schlagartig.
Cedric, der in der Nähe des Anwaltszimmers saß, las gerade
eine Zeitung, als der Gefängnisdirektor hereinkam und ihn begrüßte.
Er wollte sich vergewissern, dass alles in Ordnung war, dass in
seinem Gefängnis alles reibungslos lief.
„ Rann ich irgendwie helfen?“, fragte er, als würde er für ein
politisches Amt kandidieren. Er war sehr darum bemüht, mitfühlend
zu wirken.
Cedric stand auf, überlegte kurz und wurde dann wütend. „Das
ist nicht Ihr Ernst, oder? In ein paar Stunden werden Sie meinen
Bruder für etwas hinrichten, das er nicht getan hat, und jetzt
kommen Sie hierher und erzählen irgendeinen Scheiß darüber, dass
Sie helfen wollen?“
„ Wir machen hier nur unsere Arbeit“, sagte Ruth, die zu ihnen
trat.
„ Nein, das tun Sie nicht, es sei denn, Ihre Arbeit erlaubt es
Ihnen, Menschen umzubringen, die unschuldig sind. Wenn Sie helfen
wollen, dann halten Sie diese verdammte Hinrichtung
auf.“
Marvin
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