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Geständnis

Titel: Geständnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bernd
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nicht
erst gemeldet. Wie bei Reibereien dieser Art üblich, war es
aufgrund der vielen Beteiligten unmöglich, festzustellen, wer Ärger
machte und wer versuchte zu fliehen, daher wurde fürs Erste niemand
verhaftet.
    Viele der älteren Jungen - schwarze und weiße - eilten nach
Hause, um ihre Waffen zu holen.
     
    Nachdem Roberta, Andrea, Cedric und Marvin die
Sicherheitsschleuse im Eingangsgebäude von Polunsky passiert
hatten, wurden sie von einem Aufseher in den Besucherraum geführt.
In den letzten sieben Jahren hatten sie diese Prozedur unzählige
Male über sich ergehen lassen. Und obwohl sie das Gefängnis und
alles, was damit zusammenhing, schon immer gehasst hatten, war
ihnen klar, dass es bald der Vergangenheit angehören würde.
Polunsky bedeutete ihnen nichts, aber Donte lebte dort. Und das
würde sich in wenigen Stunden ändern.
    Im Besucherbereich von Polunsky gibt es zwei abgetrennte
Räume, die von den Anwälten benutzt werden. Sie sind etwas breiter
als die Nischen, mit denen die Besucher vorliebnehmen müssen, und
auf allen Seiten von einer Wand umgeben, sodass kein Wärter oder
Gefängnisbeamter die Gespräche belauschen kann. An seinem letzten
Tag darf ein zum Tode verurteilter Häftling seine Familie und
Freunde in einem der Anwaltszimmer empfangen. Eine Plexiglasscheibe
trennt sie, und alle Gespräche müssen über die schwarzen Telefone
auf beiden Seiten der durchsichtigen Wand geführt werden.
Berührungen sind nicht erlaubt.
    An den Wochenenden ist der Besucherraum laut und überfüllt,
doch unter der Woche kommen nur wenige. Mittwochs ist „Medientag“.
Ein Häftling mit einem „Termin“ wird in der Regel von ein paar
Reportern interviewt, die aus der Stadt kommen, in der der Mord
stattgefunden hat. Donte hatte allerdings sämtliche Anfragen für
ein Interview abgelehnt.
    Als die Familie um acht Uhr den Besucherbereich betrat, war
nur eine Wärterin namens Ruth anwesend, die sie schon kannten. Sie
war ein guter Mensch und mochte Donte. Ruth begrüßte sie und sagte,
wie leid es ihr tue.
    Donte war bereits im Anwaltszimmer, als Roberta und Cedric
eintraten. Durch ein Fenster in einer Tür hinter ihm konnten sie
einen Wärter erkennen. Wie immer legte Donte die linke Hand flach
auf das Plexiglas, und Roberta tat das Gleiche von der anderen
Seite. Eine Berührung war unmöglich, doch für sie war diese Geste
gleichbedeutend mit einer langen, innigen Umarmung. Das letzte Mal
hatte Donte seine Mutter am Schlusstag seines Prozesses berührt, im
Oktober 1999, als ihnen ein Wachmann eine schnelle Umarmung
erlaubte, bevor Donte aus dem Gerichtssaal geführt
wurde.
    Donte nahm den Telefonhörer in die rechte Hand und lächelte.
„Hi, Mom. Danke, dass du gekommen bist. Ich hab dich lieb.“ Ihre
Hände lagen immer noch auf dem Glas.
    „ Ich hab dich auch lieb, Donte. Wie geht es dir?“, erwiderte
Roberta.
    „ So wie immer. Ich habe schon geduscht und mich rasiert. Sie
sind alle richtig nett zu mir. Ich habe frische Sachen an, und
nagelneue Boxershorts haben sie mir auch gegeben. Es ist klasse
hier. Sie werden richtig nett, bevor sie einen
umbringen.“
    „ Du siehst gut aus.“
    „ Du auch, Mom. So schön wie immer.“
    Bei ihren ersten Besuchen hatte Roberta geweint und gar nicht
mehr damit aufhören können. Hinterher hatte Donte ihr geschrieben,
dass es ihn furchtbar mitnehme, wenn er sie so verzweifelt sehe.
Wenn er allein in seiner Zelle sei, weine er stundenlang, doch er
könne es nicht ertragen, seine Mutter weinen zu sehen. Er wünsche
sich, dass sie ihn so oft wie möglich besuche, doch ihre Tränen
würden eher schaden denn nützen. Danach hatte es nie wieder Tränen
gegeben, weder von Roberta, Andrea, Cedric und Marvin noch von
einem anderen Verwandten oder Freund. Roberta machte das bei jedem
Besuch unmissverständlich klar. Entweder man hat sich unter
Kontrolle, oder man verlässt den Raum.
    „ Ich habe heute Morgen mit Robbie gesprochen“, sagte sie. „Er
hat noch ein, zwei Ideen für die letzten Revisionen. Und der
Gouverneur hat noch nicht über deinen Antrag auf Aufschub
entschieden. Es gibt noch Hoffnung.“
    „ Es gibt keine Hoffnung, Mom, also mach dir nichts
vor.“
    „ Wir können doch nicht einfach aufgeben.“
    „ Warum nicht? Wir können nichts mehr tun. Wenn Texas jemanden
umbringen will, tut es das auch. Letzte Woche haben sie einen
hingerichtet. Und für diesen Monat ist noch einer eingeplant. Das
geht wie am Fließband, und aufhalten kann man es nicht.

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