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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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das mit sehr viel Fingerspitzengefühl abgewendet. Jetzt ist sie verheiratet in Mexiko.
    Um nicht reden zu müssen, geht Lukas herum. Vor der Bücherwand Madonna mit Kind, gefaßt. Auf dem Flügel, den man eben hat, im Lederrahmen die mexikanische Andrea mit zwei Kindern. Angepaßt. Georgia sieht Lukas an.
    Was tut sie überhaupt hier? Kleines Luderchen? Kaum. Soll sie mit nach Salzburg? Oder war schon dort? Gefällt sie dir, damit du wieder was dazulernst?
    Alfredo hat das Thema aus dem kleinen Luxusgehäuse auf seine diversen Zweitwohnsitze umgelenkt. Zu seinem Pied à terre im Engadin. seinem Pied à terre an der Côte d’Azur. Mitten in der Beschreibung seines zauberhaften New Yorker Domizils, wo Alfredo als elder statesman aus der Wirtschaft irgendetwas bei den Vereinten Nationen ist, was man eben ist, wenn man war, was er war, hat Lukas ihn unterbrochen. „Ich geh’ jetzt.“
    Alfredo glaubt auch ihn zu verstehen, der sich mit undurchsichtigem ; Ausdruck von Georgia verabschiedet, auf Abstand, ohne Händedruck, wie einer der gestört hat.
    „Ein andermal, Herr Dornberg“, sagt Alfredo an der Tür. „Es war sehr nett, Sie wiederzusehen.“
    Nebenan im eigenen Pied à terre kramt Lukas in einer Kiste. Tassen finden sich, Tee, sogar Zucker. Löffel müssen in einer anderen Kiste sein. Bevor er sie sucht, ruft er auf dem Bühlhof an.
    „Ja bitte?“ Der Männerstimme folgt eine Oktave höher Martina. „Ja bitte? Riesig freut sie sich über den Schornstein. Leider kann sie nicht rein ins Zu-Haus, das er so liebevoll für sie ausbaut. Er bedauert’s mit ihr, hat den Schlüssel mitgenommen, leider.
    Die Fernsehbäuerin draußen mit Kerl — da könnte er in der Stadt bleiben, morgen einiges erledigen. Luggi ließe sich durch einen Anruf bei Alois sicher auf Dienstag verschieben. Wär eigentlich schade.
    Klingeln lenkt seine Gedanken um. Gespannt drückt er auf den Knopf in der Diele, und gründlich. Dann öffnet er die Wohnungstür, streicht sich mit der Hand durchs Haar, hört den Lift fauchen, Schritte. Wie Spießgesellen sinken sie einander in die Arme, als wär’s nicht das erste Mal. Georgia sagt nichts zu dem Durcheinander, er fragt nicht, ob sie einen Tee möchte. Sich ohne geschmeidige Worte dem Urmagnetismus zu überlassen, hat für Lukas archaischen Reiz. Nestbautrieb bricht durch, läßt sie Möbel rücken, sich aus Kisten bedienen. Das gemeinsame Schaffen schafft Gemeinsamkeit, die konventionellen Ouvertüren schon im Zugriff überlegen ist. Er geht nicht zimperlich mit ihr um, aber auch nicht zynisch. Alles geschieht frisch, ohne Befürchtungen vor schlechtem Text, falschen Rhythmen, störenden Düften, absichtsvoller Wäsche und der ganzen Armseligkeit des Raffinements.
    Dann lesen sie aus Blicken, bevor sie sich umsehen und sprechen. „Kann sehr gemütlich werden“, sagt sie.
    „Zuerst wollt’ ich dich zur mondänen Gans erklären!“ sagt er, und erfährt die ganze Harmlosigkeit.
    Alfredo kennt Detlef über einen internationalen Club und hat ihm zu einigen lukrativen Aufträgen verholfen. Seit Lillys Tod gefällt sich der Mittsiebziger in der Rolle des père noble, der gelegentlich eine hübsche Frau zum Essen einlädt. Von Salzburg war auch schon die Rede.
    Doch das interessiert nur am Rande. Beide überrascht, weil nicht enttäuscht, kommen zur eigenen Sache. Georgia unterhält seit Adrians Geburt keine ehelichen Beziehungen mehr zu ihrem Mann, schätzt ihn aber als Partner und würde die Ehe nicht aufgeben. Man hat sich mit Geschmack arrangiert. Georgias konservative Ausstrahlung, damenhaft, begrenzt selbständig, sehr begabt, sich verwöhnen zu lassen, schafft ihr Ankratz bei älteren Herrn, denen wichtigste Voraussetzung für einen Flirt es ist, vor Komplikationen sicher zu sein. Damit gilt sie als Schrecken aller neugierigen Ehefrauen, die ehrlicher leben möchten, als sie sich trauen und hat, mit großen Pausen dazwischen, weit weniger erfahren, als die Neiderinnen ihr glauben würden.
    Daneben nimmt sich Lukas’ Darstellung männlich-kompliziert aus. In dem Bestreben, Gemütstiefe erkennen zu lassen, ohne das Wort „Liebe“ zu strapazieren, begnügt er sich nicht mit seiner derzeitigen Person, greift vielmehr auf frühere Inkarnationen zurück.
    Georgia hört nicht zu. Ihr genügt seine derzeitige Fleischgeworden-heit. So bleibt Lukas der einzige, der aus seiner wohlbegründeten Feigheit Gewinn zieht. Beides verdankt er nicht zuletzt Lilly. Die Nachricht von ihrem Tod brachte

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