Geständnisse eines graumelierten Herren
dümmste Sendungen lachen.
Die Zeichenhand hatte den Bleistift weggelegt und zuckte nach dem Telefon.
Hab ich überhaupt die Nummer? Nachher ist Detlef dran. Und wenn? Nichts überstürzen. Kann’s ja morgen mal probieren. Nur keine Komplikationen...
Frühmorgens Überraschung mit Motorgeräusch. Als Lukas aus dem Fenster schaut, steht ein Klohäusl über dem Brunnenschacht. Alois! Bald darauf klopft’s an die Hoftür. Luggi, das stattliche Mannsbild, hat eine trockene Phase. Das macht ihn überpünktlich, unrasiert, noch ohne Frühstück erlebt der Männchenmaler fasziniert und amüsiert eine seltsame Wandlung. Abgesichert durch den Fachmann, kann er Dein und Mein nicht mehr verläßlich trennen. Euphorisch, wie ein Bauherr beim ersten Mal, gesteigert durch das schon stehende Haus, entwickelt er Ideen, mit Zeichnungen und Inneneinrichtung, bis zur Bezugsfertigkeit, und heißt den Luggi als erstes den schwierigen Durchbruch für die Treppe angehen. Er selbst karrt in mehreren Fuhren die noch fehlenden Kaminsteine herbei, samt Klinker für den Außenteil, schleppt sie ins Zu-Haus und über die Außenleiter ins Obergeschoß und merkt erst, als Frau Schmidhuber mit Tablett vor ihm steht, daß sie da ist und die Gardinen wieder aufgehängt hat. Viel zu früh bringt sie eine Brotzeit, sogar mit Suppe. In den Hof kämen ihr die beiden so nicht, wie sie aussehen, umschreibt sie das Wort Saubärn.
Wie sich herausstellt, hat die Freundlichkeit der Witwe einen Widerhaken. Ihr Auto springt nicht an. Luggi leert die Suppentasse auf einen Zug und verschwindet mit dem Startsatz alpenländischer Handwerker: „Schau’n mir amal!“
Den Einwand, sie hätte ihn wenigstens in Ruhe essen lassen können, pariert sie erwartungsgemäß mit ihrer Angela, die sie abholen muß. Es werde bestimmt schnell gehen, der Luggi sei ein Künstler. Ein langer Rundblick durch die Baustelle endet mit großem Seufzer. „Mei, und das alles für das Fräulein Martina!“
Erklärungen erübrigen sich. Künstler Luggi ist wieder da. Der Motor läuft, aber neue Zündkerzen soll sie sich besorgen.
„Was, schon wieder Auslagen? Spinnst du?“
Ihr Aufbrausen erstickt er. „Billige Gebrauchtwagen san immer teurer als teure.“
Frau Schmidhuber hat sich abgewendet. Nahezu ohne Dank und Gruß fegt sie davon. Die Frage, ob sie immer so g’schnappig zu ihm sei, beantwortet der lange Labile mit langsamer Geste seiner schweren Hände. „Sie is halt allein! Ich bin’s auch, aber mir macht’s nix. Aber noch einer is allein, für den’s mir ehrlich leidtut — der Maxi.“
Sein Mitteilungsbedürfnis, unerwartet hereingebrochen wie Föhn, erübrigt Rückfragen.
„So ein guter, ‘fleißiger Mann. Genau im richtigen Alter. Und nix geht z’sammen! Vor a paar Jahr’, wie seine Eltern noch g’lebt habn, da haben’s Zimmer vermietet im Sommer — Ferien auf dem Bauernhof. Da is eines Tages a englische Familie kommen. Mit Tochter. Saubere Madl. Da hätten’s den Maxi sehen soll’n! Zweimal ist er ‘nüberg’fahren, nach England, wochenlang. Dann hat’s an andern g’hei rat’.“
bin in der stadt!
Leserlich steht die Information auf dem Zettel an der Hoftür. Nach harter Woche als Handlanger beim Kaminbau, mit Muskelkater vom Nacken bis zu den Fersen, den charmanten Hofherzeiger und smalltalkenden Bewirter spielen, nur weil die Sonne scheint, — darin Lebenskunst zu erblicken, liegt Lukas nicht.
Gleich nach dem Frühstück ist er aufgebrochen. Die Baustelle im Zu-Haus sperrt ein Vorhängeschloß, das Klohäuschen über dem Brunnenschacht ebenso. t
Schadenfreude ist es nicht, was er unterwegs empfindet, allein gegen den Verkehrsstrom fahrend, der sich mit heruntergeklappten Sonnenblenden nach Süden quält, und einen Satz vom Pacher-Alois bestätigt: „Das einzige Tier, bei dem das Arschloch vorne sitzt, ist die Autoschlange.“
Was empfinden die Stadtflüchtigen? Soll das Freiheit sein? Nicht ganz ungefährlich, wenn einer aus der geblendeten Schlange schlängelt. Reiten ist noch kleine Freiheit, mit Zäunen, und Radeln vor allem. Aus eigener Kraft, unabhängig von fremdem Eigensinn und Hel fern.
Lipi, der Graf fällt ihm ein, der ihm kürzlich hoch zu Roß begegnete, als er ins Dorf radelte, um Nägel zu besorgen. Aus dem leicht mokanten Erstaunen über sein Fortbewegungsmittel hatte Lukas einen Bumerang gemacht. „Ich lebe als Gutsherrenattrappe. Statt morgens über eigene Felder zu reiten, radle ich auf öffentlichen
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