Geständnisse eines graumelierten Herren
sie gut die Hälfte für ihre Angela zurückhielt, ein Psychogramm ihrer Lebenssituation. Deftigst, mit allen Aggressionen gewürzt, daß es einem unvergeßlich im Magen lag. Da sie mitaß, spielte Lukas auf die zurückgehaltene Portion an. „Sie hätten auch den Luggi bitten sollen.“
„Gehn’s, den Saubärn!“
„Der Mann ist ein Künstler. Sie haben es selbst gesagt.“
„Das Saufloch!“
Dank der Soße gelangen ihm ölig-milde Töne. „Aber Frau Schmidhuber! Überlegen Sie doch warum? Alles im Leben hat seine Ursache...“
Ein Stück Knödel verhinderte Verbal-Deftiges. Lukas konnte weiterölen. Ein Mensch fehle ihm, der zu ihm gehört, die Frau. Der Mann sei einsam.
„Gehn’s! Ein Mann, der eine Frau braucht, damit er ein Mann ist — das ist doch kein Mann.“
Lukas konnte nicht widerstehen. „Und was ist eine Frau ohne Mann?“
Der Satz tropfte durch, langsam wie Filterkaffee. „Denken Sie da an was Bestimmtes?“
„Und wenn?“
„Das wird nix. Das sag ich Ihnen gleich!“ Doch ihr Puls zog an, sie wurde fleckig, und er schob einen ganzen Knödel bester Eigenschaften nach. Sensibilität vor allem, zudem sehe Luggi sehr gut aus, er bringe auch Geld heim, bei seinen vielen Talenten, und eine Frau brauche eine Aufgabe.
Daß er ein sauberes Mannsbild sei, räumte sie ein. Aber labil. Als Lukas die Weichheit zum Anlaß nahm, ihr Härte vorzuwerfen, ging sie zum Gegenangriff über.
„Als Witwe wird man hart. Die Männer machen einem doch alle was vor. Alle! Ich glaub keinem mehr. Es ist immer das gleiche: Eine Weile geht’s, dann fängt’s an. Erst wird’s immer später, bis er heimkommt und noch später. Eines Tages wankt er nur noch, plärrt rum in seinem Suff, kotzt ins Zimmer, macht ins Bett und ich hab den verstunkenen Saubärn am Hals. Danke für Obst und Südfrüchte!“
Der Herbst hatte nicht nur dem Kalender nach angefangen. Es war bedeckt und kühl, kein Wochenende für Ausflüge aufs Land, es sei denn um einer Einladung zu folgen. Vor dem Spiegel im Flez begutachtete sich Lukas. Der graue Flanell erschien ihm richtig, nicht zu dünn, falls schlecht oder gar nicht geheizt sein sollte, weder zu städtisch noch zu ländlich für den Anlaß — ein Landfest von Städtern.
Motorgeräusch von draußen bestätigte einen lästigen Magnetismus: Wenn man gehen will, kommt einer. Obendrein ein Unbekannter, doch am Samstagnachmittag wohl nicht von der Baubehörde.
„Köttgens“, sagte der dickliche, kahle Mann.
Den Namen hatte Lukas schon einmal gehört, und als das Wort Messnerhof fiel, wußte er Bescheid.
Herr Köttgens wirkte mühsam beherrscht und atmete entsprechend kurz, sein Besuch galt Renate. Als Vermittlerin des Messnerhofs war sie ihm Bezugsperson für allen Ärger damit, und weil Zorn sich noch schlechter speichern läßt als Strom, bekam Lukas als Stellvertreter Kostproben. Der Mann war verzweifelt. Anfangs sei es gut gegangen mit den Nachbarn — er sprach nicht von Bauern, sondern von „Bauren“, alle hätten ihm geholfen, den Hof herzurichten, doch seit ungefähr einem Jahr gebe es ständig unliebsame Überraschungen. Da werde plötzlich der Strom abgeschaltet oder das Wasser, wegen angeblich dringender Arbeiten, und das am Wochenende und nur bei ihm, oder die Nachbarbauern fällten einen Baum, der zerschlage sein kleines Gewächshäuschen, aber niemand sei schuld, weil die Kettensäge gebrochen sei, und jetzt, während er in der Stadt war, habe ein Langholzfuhrwerk Stämme verloren — angeblich — genau vor seiner Einfahrt und die Bauern wüßten nicht, wann die weggeräumt würden.
Das konnte Lukas ihm auch nicht sagen. Immerhin hatte der dickliche Mann so viel Dampf abgelassen, daß er sich entschuldigte und weiterfuhr.
Unter der Post waren zwei an den Hofhüter adressierte Karten gewesen. Die aus Südostasien, wo sich Daniela und Renate per Schiff auf einer Inseltour befanden. Tags Tempel, Tradition, Folklore für Film und Foto, allabendlich Dinner und Tanz, mit Glitzermuttis in bodenlangen Wurstpellen, die flotten Gatten in weißen Smokings, bordkapellenverdächtig — wie Daniela sich ausdrückte. Sie freuten sich schon auf Afrika und natürlich auf ihn, hatte Renate daruntergeschrieben.
Die zweite Karte steckte im Kuvert und war vorgedruckt: Konsul Donicke und Frau würden sich freuen, den handschriftlich eingesetzten Herrn Lukas Dornberg zu ihrem Herbstfest auf geht’s auf dem mooshof! begrüßen zu dürfen.
Darunter nochmals handschriftlich: Hab
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