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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Wurstabteilung, ältere Mannsbilder erhoben sich, pflichtbewußt wie zur Feuerwehrübung. Gern hätte der Männchenmaler den stillen Beobachter gespielt, doch auch er vernahm das Trompetensignal der Feuerwehr. Nach Sekunden des Wartens, ob sich der Luggi nicht doch traue, oder ein anderer ihm zuvorkäme, schritt er zur höflichen Tat.
    Frau Schmidhuber erhob sich, noch ehe er sie bat; der Luggi grinste unschlüssig mit der Limo in seiner großen Hand. Lukas nickte ihm aufmunternd zu und griff nach der Witwe, die ihn mit angehobenen Mundwinkeln und Armen umfassungsbereit erwartete.
    „Wo sie der Alois wegg’holt hat, holen’s jetzt mich. Sie sind eben ein Tschendlmän!“ Sie ließ ihn ihre Attribute fühlen und knöpfte an das unterbrochene Gespräch so nahtlos an, daß er nicht gleich wußte, wovon sie sprach. „Also wie g’sagt, mit der Fernbedienung ist man halt viel beweglicher. Ob Sie’s glauben oder nicht, Herr Dornberg, ich hab mei’ ganze Bildung vom Fernsehen. Und von den beiden Damen. Ich seh jetzt manches anders. Aber Bildung macht auch einsam. Man wird anspruchsvoller. Bevor ich mir am Abend ein Mannsbild einlad’, das von nichts eine Ahnung hat, — nein. Da bin ich lieber allein mit meinem Farbfernseher!“
    Maxi schob vorbei mit dem Dirndl aus der Käseabteilung, lieb, ohne Zugriff, ein Mangel, der ihm bei den jungen Leuten überhaupt auffiel.
    „Schau’n Sie!“ flüsterte Frau Schmidhuber mit Schweinsbratenaroma. Alois bewegte die Mutter des Bräutigams. — Die schmuckrasselnde Dirndlkönigin verschoß verheißungsvolle Blicke ohne feste Adressaten, im Postwurf sozusagen, und trumpfte mit lateinamerikanischen Kapriolen auf, denen der Pacherbauer tänzerisch nicht gewachsen war. Er blieb einfach stehen und verkündete „Bei uns klatscht ma auf der Hochzeit ab!“ Ein Händeklatschen neben Maxi, und ehe die gerade rotierende Dirndlkönigin begriff, schob er mit dem Käsedirndl davon.
    Das war der Auftakt.
    Einer der Saubärn klatschte Lukas die Witwe weg, der holte sich vom Vater des Bräutigams die Pacherbäuerin und war überrascht. Federleicht lehnte sie auf Abstand in seinem Arm, folgte schwebend dem Rhythmus, ließ sich führen und ging doch ihrenWeg. Ob sie das immer so machten, mit der Abklatscherei, wollte er wissen.
    Sie lachte. „Nur am Anfang. So geh’n die Pflichttanz’ schneller rum.“
    Die Schattenseite dieses Brauchs wurde bei Maxi deutlich. Ihm blieb die Behängte, die er, ungeachtet lateinamerikanischer Zuckungen, mit fester Hand gradaus bewegte wie einen Mähdrescher.
    Es klatschte, die Pacherbäuerin entschwebte; der Männchenmaler blieb am Rand stehen. Er sah dem Wechselspiel zu, das auch der Herr Pfarrer amüsiert verfolgte. Und die Musik nahm kein Ende. Frau Schmidhuber kam mit wechselnden Saubären vorbei, nur der Luggi saß noch immer und hielt sich an seiner Limoflasche fest.
    Plötzlich stand Alois da. „So Nachbar, da hast die Braut. Ich muß einen befreien, der auf seine Händ sitzt.“
    So kam Lukas zum wichtigsten Pflichttanz. Ichgefangen, als bemerke sie die wechselnden Partner überhaupt nicht, schwebte die Braut durch ihren großen Tag. Der Eindruck täuschte. „Was machen’s jetzt, wenn die beiden zurückkommen?“
    So direkt gefragt, mußte Lukas nachdenken. „Ich geh wieder in die Stadt.“
    „So?“ Rosas Unterton war voller Spitzen, wie ein Bündel Bleistifte. Stumm klatschte sie ihr Frischangetrauter zurück und überließ ihm Irene vom Riedhof. Bei schneller Musik kamen sie fast eine Minute weit.
    Genug zwischenmenschlich gehopst!
    Lukas war’s heiß geworden in seinem grauen Anzug. Bei der Kapelle traf er auf Alois und den Pfarrer.
    „Na, was sagst?“ Der Pacher deutete ins Menschengewoge, aus dem Luggis kantiger Kopf herausragte. Mit zufriedenem Ernst, schwungvoll in Rhythmus und Schritt, bewährte sich der Vielseitige auch auf dem Parkett, Frau Schmidhuber, die satt Angeschmiegte sicher im Griff. Ihr überraschter Blick, staunend-freudig, machte klar: die Bildungseinsamkeit war in Gefahr.
    „Drei alte Türen hätten wir noch für Sie.“ Nicht Uli, sondern Tom, der Schreiner, nutzte die beschwingte Laune und bekam, vielleicht deswegen, eine entschiedene Absage. Jetzt sei Schluß, ein für allemal.
    Alois war schon wieder mittendrin, mit seiner Bäuerin beim Zwiefachen, diesem vertrackten Vierviertel-Dreiviertel-Wechselschritt, da wandte sich Hochwürden Lukas zu. „Das Zu-Haus soll ja ein wahres Schmuckstück werden. Ganz im alten

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