Geständnisse eines graumelierten Herren
lachte jetzt wenigstens. Einmal sogar verräterisch allein. Da ging’s gegen einen Saubärn, der als „staatlich geprüfter Junggeselle“ sein Unwesen treibe. Die Bauern schlugen sich auf die Schenkel, nur der Luggi sog mit unbewegter Miene an seinem Strohhalm.
Traf ein Vers, wie dieser, besonders gut, hängte der Hochzeitslader einen Zweizeiler dran, auf den die Kapelle mit einem Refrain antwortete und alle sangen mit.
Da schwebte, nach einem Volltreffer, die Mutter des Bräutigams ahnungslos in den Saal. Sie hatte sich umgezogen, trug ein bodenlanges Dirndl, wie es für amerikanische Alpenfreunde in Salzburg zu haben ist. Ohne Schrecksekunde reimte der Hochzeitslader ihr nachschauend drauflos:
„Von hinten da denkst, daß des Dirndl dir g’fallt,
doch’s Holz vor der Hütt’n is aus preußischem Wald!“
Die Gäste brüllten los, die Kapelle setzte ein und alle sangen den Zweizeiler noch einmal mit.
Bei der Betroffenen herrschte Explosionsgefahr. Ihr hochrotes Gesicht, durch das bläulich getönte, toupierte Haar gefährlich betont, verriet weniger Haltung als einen Hitzestau und damit ihr Alter. Mit einer Tischkarte schaufelte sie Luft vor die Hütt’n und ließ sich von ihrer Schwiegertochter erklären, was denn hier so lustig sei.
Ohne daß er es wollte, regte sich die Hand des Männchenmalers. Auf der Rückseite seiner Tischkarte — die zur Erinnerung mitgenommen wird — hielt der Kugelschreiber die Schwiegermutter fest, mit ihrem üppigen Schmuck, den Dirndlfregatten bei Donicke nicht unähnlich, und zum Kontrast die ändere Schwiegermutter, die aufrecht, versammelt und entspannt dasitzende Pacherbäurin.
Unter dem Feuerwerk des Hochzeitsladers bemerkte niemand sein Tun.
Jetzt weiß ich, was mich an den städtischen Dirndldamen stört! Der Widerspruch zwischen Verpackung und Inhalt. Das Dirndl erfordert Vitalität, Gesundheit, keinesfalls Mondänes oder Morbides, nichts von der dauerhaften Frische gewisser Markenkuchen, die durch bedenkliche Zusätze nie trocken werden... Das ehrliche G’wand entlarvt alles Künstliche. Ja, wenn Tracht Mode wird...
Über die Verwendbarkeit in seinem Buch nachdenkend, steckte Lukas die Karte ein und beteiligte sich am Beifall. Die Suppe kam und frisches Bier, und alle redeten das gleiche. Wie gut der Hochzeitslader war, wie gut die Suppe sei und wie schön die Hochzeit. Solcher Consens macht Essen bekömmlich. Eine unerwartete Beilage zum Schweinsbraten lieferte der Bauer zur Linken. Es war der Nachbar vom Messnerhof! Einer jener „Bauern“, von denen sich Köttgens boykottiert fühlte. Was er Lukas von sich aus erzählte, löste das Rätsel.
Neben dem Messnerhof hatte eine kleine, türlose Kapelle gestanden, eigentlich nur ein Altar mit Dach und einer Schwelle zum Knien, eine Art Andachts-Zu-Haus. Die Muttergottesfigur war längst gestohlen, doch eine Gedenktafel für die Gefallenen der beiden Kriege war erhalten geblieben. Diese Kapelle hatte der neue Hofbesitzer eines Tages von einer Baufirma aus der Stadt abreißen und an ihrem Platz eine Doppelgarage erstellen lassen.
Lukas tat der Unglückselige leid; den Austausch an sich hätte das bäuerliche Traditionsempfinden durchaus verkraftet. Auf seine Frage, warum man Köttgens nicht rechtzeitig gebeten habe, er möge die Tafel erhalten, meinte die Bäuerin: „Wer das net merkt, paßt sowieso net her.“
Ein letzter Vermittlungsversuch, der Messnerhofbesitzer leide unter dem Zustand, er habe sich, seinen Aussagen zufolge, erkundigt, was denn plötzlich los sei, ob man etwas gegen ihn habe — darauf hätte man doch antworten können — , scheiterte an regionaler Logik: „Da hab’n mir scho nix mehr mit ihm g’redt!“
Die Bäuerin lieferte einen zusätzlich Blickwinkel. „Der Messnerhof hat noch keinem Glück ‘bracht. Da is kein Segen drauf!“
Noch vor Ende der Sinnenfreude mit Messer und Gabel klopfte Brautvater Alois an sein Glas, nach ihm der andere Vater. Während ihrer Reden hing der Hofhüter seinen Gedanken nach.
Kein Segen auf dem Messnerhof! Ich bin nicht abergläubisch, werde aber nichts unternehmen für Detlef. Das sind diese Gefälligkeiten mit Fußangeln, wo man nachher schuld ist, wenn’s nicht gut geht. Als habe man den falschen Arzt vermittelt...
Die Blaskapelle setzte sich wieder in rhythmische Bewegung und Berni, der Älteste vom Pacherhof, begann mit seiner jüngeren Schwester den Tanz. Zur gefälligen Nachahmung. Ein junger Bursche holte das Dirndl von der
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