Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
Flieger sind gelandet. Passagiere quellen aus der Schleuse, forsch kommen sie daher, dynamisch. Managerimitatoren in der Überzahl, knitterfreies Midlife von der Stange. Fabelhaft kommen sie sich vor, halten Fliegen offenbar für eigene Leistung.
    Ein Männchen geht zu der Tür mit dem Symbolmännchen für sein Geschlecht; andere streben zu anderen Symbolen.
    „Hallo, Herr Dornberg!“
    Daß Leute sich Namen merken, ist eine jener antrainierten Höflichkeiten der Industriewelt, die schmeicheln sollen, um geschäftsbereit zu machen. Der freie Geist des Männchenmalers schaltet da langsamer, weil auf Ausstrahlung gerichtet, und die war offenbar matt. So muß es Äußerlichkeiten zusammenrechnen, kahl, dicklich, salbiger Tonfall: Messnerhof. Der Mann mit dem Pech bei den „Bauren“, wegen der Gedenktafel!
    Lukas begrüßte ihn und weiß: Er wird es ihm sagen, gleich jetzt. Eilig will er’s haben, dieser Köttgens in seinem blauen Anzug, doch was er da zu hören bekommt, löst nach arglosem Staunen eine weitere Höflichkeit aus dem Industrieknigge aus — zwei Cognac an der Bar.
    Lukas rät ihm, eine neue Gedenktafel anfertigen und aufstellen zu lassen, sich abzustimmen mit den „Bauren“.
    Der Messnerhofbesitzer zeigt sich erleichtert und kündigt für den Fall des Erfolgs eine dritte Industriehöflichkeit an, „dann essen wir miteinander! Das muß gefeiert werden. Zahlen bitte!“ Der Chauffeur tritt ins Blickfeld und mit Empfehlung an die beiden Damen — bei der Industrie wird empfohlen, nicht gegrüßt — verschwindet die direktionsblaue Erscheinung.
    Mit arrogantem Unterton quakt eine andere Sterilstimme aus allen Ecken. Die Mitteilung, die sie macht, geht im eigenen phonetischen Feinsein unter.
    Was tun da Fremde, für die sie doch ansagt, wenn schon Landsleute sie kaum verstehen?
    Trotzdem freut sich Lukas über das Ärgernis. In dieser Transportwelt ist alles, was menschliche Regungen auslöst, willkommen und sei es Kaltluft, die plötzlich hereinströmt. Hinter der Passagierschleuse steht eine Tür zum Rollfeld offen, draußen der Wagen, der die Flieger einweist. Auf dem Dach die Leuchtschrift follow me .
    Sie erinnert Lukas an Schottland, follow me — das ist der Wappenspruch des Clans Campbell of Breadalbane.
    Freund Detlef weiß das natürlich nicht. Gerade ist er auf Lukas getroffen und kann sich nicht erklären, wieso der bei seinem Anblick schmunzelt. Bei allem Verständnis für praktische Erwägungen mit Gepäck und Rausfahrt, paßt ihm der Hofhüter jetzt und hier ganz und gar nicht. Doch er lächelt zurück, gibt sich gelassen. Sein Büro habe ihm gesagt, die Maschine komme reichlich verspätet. Er redet überhaupt viel, Rom habe Renate und Daniela diesmal besonders beeindruckt, Abendland, nach den vielen fremden Kulturen. Auch vom Messnerhof spricht er, den er haben muß und bekommen wird, wie alles, was er sich in den Kopf gesetzt hat.
    Lukas läßt ihn erfolgreich sein, verschluckt den Kommentar. Den Männchenmaler interessieren die Menschen, die aus der Schleuse treten. Eine launige Charter-Belegschaft, exotische Souvenirs an oder mit sich tragend und im Gesicht den deutschen Urlaubsausweis — Sonnenbräune. Dann wieder Inlandflug, Blasse mit Aktenköfferchen, kleinrandigen Hüten und wichtiger Eile, Wirtschaftswachstumswahnsinnige. Ihnen gibt die Massenhalle Kontur.
    An den Typen, die sie hochschwemmt, erkennt man die Zeit. Gesellschaftsquerschnitt aus der Bauernhofperspektive. Der Landblickwinkel bringt zunehmend mehr. Muß öfter raus, wenn ich jetzt drin bin...
    Die Digitaluhr am Schaukasten rückt den Zeitpunkt der Landung langsamer heran als eine mit Zeiger, wo das Auge zusieht, wie die verbleibende Spanne kleiner wird.
    Wieder ein Fortschritt zur Entcharmung der Welt!
    Lukas stellt sich Daniela und Renate vor, wie sie aus der Schleuse kommen, mit klarer Ausstrahlung, übersichtlich gewachsen und harmonisch, wie sie sind, die helle, ältere Daniela, die dunkle Renate, getönt aber nicht eingebrannt.
    Da sind sie!
    Wie Fremde, zu verschiedenen Personen, eilen die Männer den beiden entgegen, die vierfache Freude macht sich in Rufen der Vornamen Luft, der Auftritt entspricht ungefähr dem Bild der Phantasie, Gepäckwägelchen stehen mitten im Strom nach der Schleuse. Daniela ist bereits ausreichend geküßt, sie wundert sich schon über gestaute Zärtlichkeit, weil Detlef noch immer Renate blockiert. Ob er sie rausfahren soll? Er habe zwar morgen früh einen Termin. An seiner Wange,

Weitere Kostenlose Bücher