Geständnisse eines graumelierten Herren
mit Blick über die Schulter, versichert ihn Renate noch einmal ihrer Freude, aber sie fahre mit den andern. Damit wechselt sie zu Lukas zu fremdelnder Intimität, wie sie vertraute Menschen nach langer Trennung erleben.
Auch auf ihn hat sie sich gefreut, ihr Kuß auf den Mund mag Detlef sagen, wie sehr. Er hat ihn beobachtet, während Daniela die Gepäckstücke zählt. Dann sind sie mit Wahrnehmungen beschäftigt. Wie klein hier alles sei! Welcher Blick sie an Hongkong erinnere, und der flinke Umgang der beiden Männer mit dem schweren Gepäck stehe dem erstklassigen Service in Nairobi nicht nach. Das neue Auto wird gelobt und von Detlef belächelt. Wie soll sich da alles verstauen lassen? Er eilt davon, seinen großen Wagen vom andern Ende des Parkplatzes zu holen. Bis Lukas ihn, ohne Beengung des Blickfeldes im Rückspiegel Vorfahren sieht, ist die komplette Weltreise verstaut, der Sitzkomfort dem im Flugzeug hoch überlegen. Von der Schachtelei veralbert und behaglich zusammengebacken im neuriechenden Gehäuse, danken sie dreistimmig für die gute Absicht. Es geht fabelhaft so, außerdem handelt es sich um eine Jungfernfahrt. Vielen Dank nochmal, Grüße an Georgia und man wird telefonieren.
Mit jungem Brummton verlassen die drei die Transportwelt, umfahren die Straße, tauchen ins Land. Der Wechsel schlägt sich im Gespräch nieder. Weltweite Vergleich nehmen ab, nahe Fragen zu. Wie’s den Schafen geht, wie das Wetter war, was der Nachbar macht.
Orientierungstraining — die Antwort ist noch Nebensache. Während die Schwingungen sich einander nähern, herrscht jener Zustand, der Wiedersehen zunächst so inhaltsarm macht, obwohl dauernd geredet wird. Am besten eignet sich für die atmosphärische Wiedervereinigung ein Thema, das im Augenblick nicht unbedingt interessiert. Der Daheimgebliebene soll es anschneiden und es soll seine Umgebung betreffen. Als Ort ist das Auto hervorragend geeignet, schaukelnde Nähe, ohne Blickzwang und für alle mit denselben Ablenkungen draußen. Lukas erzählt von der Bauernhochzeit. Abwechselnd schaut er die beiden an, Daniela, die neben ihm sitzt, Renate per Billardblick über den Rückspiegel, ab und zu direkt. Und er berichtet, von Alois vor allem, dem er sich freundschaftlich verbunden fühlt. Beide bewundern ihn, wie schnell er reingewachsen sei ins gar nicht so unkomplizierte Landleben, und ihm wird klar, warum er erzählt. Damit sie ihn nicht fragen, was er gemacht habe, den ganzen Tag lang. Unterbewußt geht das. Ebenso unterbewußt spürt es Daniela und fragt ihn danach, schön indirekt. Wie’s denn gewesen sei mit Besuchen. Und mit Martina, zielt sie instinktiv genau, und er merkt zu seiner Belustigung, wie er den Galan der Fernsehbäuerin vorschiebt, mit dem sie Urlaub auf dem Bühlhof gemacht hat.
Renate sieht darin eine Zumutung für ihn. Daniela eher eine Absicht. Seine lakonische Bemerkung, dummerweise habe sie einen Schlüssel zum Hof, läßt unterschiedliche Standpunkte deutlich werden. Martina das Zu-Haus zu überlassen, komme nicht in Frage, sagt Renate kategorisch.
Deswegen baut man’s ja nicht aus, beschwichtigt Daniela und gibt dem Hofhüter Gelegenheit, seine noch uneingestandene Eigenmächtigkeit in günstiges Licht zu rücken. Man solle Raum nicht ungenutzt stehenlassen, sondern ausbauen, so lang man ihn nicht braucht. Eines Tages wird man vielleicht froh sein. Das drohende Straßenprojekt hält er noch zurück. Renate nickt versonnen und Daniela meint, was Martina betreffe, so lege sieh mancher Wunsch mit der Zeit von selbst. Sie ist sich ihrer Sache astrologisch sicher. Martina sei ein armes Huhn, Renate macht aus dem armen ein kaltes, und Lukas kann verbinden: jedenfalls kein Landhuhn.
Weiter gehen die Fragen. Renate kreist Georgia ein, und Lukas bekennt seine Sympathie, die Daniela horoskopisch begründen kann. Fürs Landleben allerdings, sagt er, sei sie ungeeignet. Wohl im Gegensatz zu Detlef. Der beabsichtige einen Hof zu kaufen.
Die beiden lächeln, wie über einen Kinderwunsch. Wo will er heutzutage noch ein Objekt finden? Von Lukas erfahren sie’s nicht. Manuell wechselt er das Thema, legt seine Hand auf Danielas Knie, faßt weiter nach hinten, krault Renate. Die Dämmerung geht in Dunkelheit über. Es ist gemütlich im rollenden Gehäuse und er muß berichten, von den Höfen, die er besucht hat, von den Menschen dort, von Sonnesonntagen, vom Schloß, vom Dorf. Mitunter, wenn die beiden laut lachen, kommt er sich vor, wie der Animateur
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