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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Verständnis von vornherein beiseite und erzählte. Der Michlbauer hatte den Hof seinerzeit mit viel Grund hergegeben. Viel zu viel für die beiden Frauen, die nach und nach verkauften, was sie nicht nutzen konnten. Dabei geschah es, daß sie einem Bauern ein für ihn zur Abrundung seiner Landwirtschaft wichtiges Stück versprachen, es dann aber einem andern verkauften, der sofort bezahlen konnte. Der Wortbruch sprach sich ebenso herum, wie ihre Angewohnheit, nur freundlich zu sein, wenn sie etwas brauchten. Hatten die Nachbarn ihnen geholfen, kannten die beiden sie nicht mehr. Bis zum nächsten Mal. Und gewissermaßen zur Bekräftigung zitierte er einen Satz des Pfarrers: „Nachbarschaft ist keine Einbahnstraße!“ Der wortstarke geistliche Herr, der das gesagt hatte, stand im Blickfeld bei einem Mädchen mit geschlitztem Rock und grellen Lippen. Er übersah den Aufputz. Vermutlich hatte er sie seinerzeit getauft und kannte alle Entwicklungsphasen.
    Frau Schmidhuber hatte ihre Kostümjacke abgelegt und öffnete die beiden oberen Knöpfe ihrer Bluse. Sie schaute herüber. „Kommen’S Herr Dornberg.“
    Mit Manieren für andere Zeiten und andere Umgebung ausgestattet, wollte Lukas warten, bis das Brautpaar saß. Zu spät. Frau Schmidhubers Beispiel hatte längst Schule gemacht. Von Mutter und Tochter umrahmt setzte er sich auf den exponierten Platz am Tischende, mit Blick zum Brautpaar.
    Mannsbilder schauten herüber, Saubärn vielleicht, die nachts anriefen, ob sie keinen Sex brauche, und sie lächelten über das inszenierte Trugbild, an dem auch Angela kindlich-durchtrieben mitstrickte, indem sie näher zu ihm rückte.
    Am Eck des Quertischs, wo’s von der Verwandtschaft zu den Gästen übergeht, grinste der Maxi, neben sich das Dirndl von der Käseabteilung im Konsumgeschäft, ein weiteres Dirndl, dann der Luggi. Unter den Blicken geriet die fesche Witwe von der Taille aufwärts in damenhaftes Schlingern, als bewegtes Bild mit dem Zeichenstift leider nicht einzufangen. Gleich wird sie ein Gespräch beginnen, um den Eindruck von Harmonie zu halten]
    „Was machen’s denn so abends auf dem Bühlhof allein, wo die Damen doch nur einen Schwarz-weiß-Fernseher haben? Also wenn ich mein Farbgerät mit Fernbedienung net hätt...“
    Alois, der gerade neben der ledernen Bräutigamsmutter Platz nehmen wollte, sah herüber, verstand Lukas’ Blick und setzte sich nicht. Die Antwort des Hofhüters, meist lese oder zeichne er, löste bei Angela einen Dressurakt aus. „Ich kann auch zeichnen!“
    „Sehr gut sogar!“ bestätigte die Mutter und wollte sich gerade kunstkritisch verbreiten, da kam Alois und hatte den Luggi schon dabei.
    „Nein, des geht net! Mein Nachbar am letzten Tisch“, rügte er und nahm den Austausch handgreiflich vor. Der Luggi lächelte sparsam, als füge er sich allein dem Gastgeberwillen, denn aufdrängen tut man sich ja nicht.
    ; Jetzt hat’s ihr’n Saubärn!“ freute sich Alois auf dem Rückweg.
    „Super!“ lobte Maxi mit erigiertem Daumen. Er hatte das Revirement durchschaut.
    „Wo der Luggi doch so auf die Schmidhuberin steht!“ ergänzte die neue Tischdame verständnisvoll mit ihren bestenfalls zwanzig Lenzen. Lukas kannte auch sie. Aus der Wurstabteilung. Sie und ihre Kollegin aus der Käseabteilung waren Schulfreundinnen der Braut, erläuterte Alois, und kehrte an seinen Platz um die Ecke zurück.
    Das Bauernpaar zur Linken hatte die Schule schon gut vierzig Jahre hinter sich; der Hofhüter drückte die Hände, irgendwelcher Erklärungen bedurfte es nicht. Hinten am Tischende alberten Uli und Irene mit Burschen und Dirndln ihres Jahrgangs, drüben am anderen Ende herrschte Schweigen. Die Witwe fand es wohl unter ihrer Würde, mit Luggi zu reden, der ein Bier vom Tablett der Kellnerin nahm und ihr hinstellte. Für sich und Angela griff er zwei Flaschen Limo mit Strohhalm.
    „Leit’, hört’s her!“
    Der Hochzeitslader, zuständig für Stimmung und glatten Ablauf, trat in die Mitte und hob seinen Stab. Gespräche verstummten.
    „Aha, ‘s Essen is noch net fertig, daß der jetzt scho redt“, kommentierte Maxi und reichte von einem Tablett Bier weiter.
    Mit Versen in unverfälschtem Dialekt, dem Lukas nicht immer folgen konnte, verulkte, oder wie es hier hieß, derbleckte der Hochzeitslader Anwesende und Begebenheiten, Gelächter krachte, wie Balken bei einem Hausabbruch. Das Dirndl aus der Wurstabteilung dolmetschte, wie Frau Schmidhuber es ursprünglich vorgehabt hatte. Die

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