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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Zimmernachfolger in dem möblierten Stollen bei Renates Eltern. Und Freunde, die ihn rausholten, bevor der Zierholt’sche Familienschoß sich öffnete, wie eine Erdspalte. Die Eltern hätten ihn gern behalten. Schon um ihre lebensneugierige Tochter geborgen zu wissen. Vor diesem Glück hat er sich gedrückt, zum Glück. Es wäre eine Katastrophe geworden. Auch vor zehn Jahren hat er sich gedrückt, hat die Offerte überhört, trotz ihrer imposanten Unabhängigkeit. Oder gerade deswegen? Was hat sie aus sich geinacht! Der längere Anlauf aus spießigem Elternhaus spornt an, wo Hochwohlgeborene in Selbstsicherheit ruhen und eben wegen des Vorsprungs umständlicher zu sich selber finden! Das hat Daniela geschafft. Eigentlich schon damals.
    Beim Blick ins Feuer erstirbt das Thema. Daniela will drüben noch Martina im Fernsehen anschauen und freut sich schon wieder auf ihr Bett. Die raschen Klimawechsel hängen ihr nach, sagt sie.
    Martina sei ihr Ersatzkind und einziger Streitpunkt, sagt Renate, die noch geblieben ist. Im wärmenden Zerstörungswerk des Feuers flackern Erinnerungen auf. Sein Arm liegt um ihre Schulter, ihr Kopf ruht an seinem, vertraute Berührungen, und noch immer nicht beruhigend. Die Hände gegen sich, die Lippen. Bis der Kopf begreift, musizieren alle Sinne. Ihr Herz schlägt in seiner Hand, daß er Mühe hat, auf väterliches Tätscheln umzuschalten. „Laß uns schlafen gehen.“
    Geschirr, das sie mitnehmen, lenkt ab. Daniela ist schon oben. Sie reden nicht beim Aufräumen. Die Stimmung gibt dem Miteinander und Umeinanderherum etwas Tänzerisches, wie ein Vereinigungsritual. Sachlich kündigt er an, das Telefon zu ihr hinaufzuschalten und zieht damit ihre Hand auf seine zu neuem Kurzschluß. Noch einmal läßt er den Mund sprechen, dann energisch scherzend die Stimmbänder. „Man könnt’ ja meinen, in fünf Minuten ginge mein Zug.“
    Das Lächeln, der heitere Helfer aus Liebeslagen, macht sogar einen geschwisterlichen Gute-Nacht-Kuß möglich und einander auch in Vernunft zärtlich zugetan, trennen sie sich an der Treppe.
    Hört das denn nie auf? seufzt der Gockel in den Badezimmerspiegel, selig, daß es nicht aufgehört hat, und stolz auf seinen Sieg. Nur bitte keine Komplikationen!
    Liegend entspannt er sich mit tiefen Atemzügen; oben knarrt eine Diele, erinnert ihn wieder an das Zierholt-Nest, wenn Renate nachts zu ihm schlich, von den Eltern voller Hoffnung überhört, und es gelingt ihm, über diesen Gedanken einzuschlafen.

    Das Erwachen in der Stadt geschah unfreiwillig und bei Dunkelheit. Kurz vor sechs heulte ein Motor angestrengt mit heller Drehzahl. Am Küchenfenster sah Lukas im Schein der Straßenbeleuchtung eine Kehrmaschine ihre Borstenwalze gegen die Fahrtrichtung drehen, technisch ohne Lärm undenkbar.
    Nun ja. Sie kehrt wohl nicht jeden Morgen!
    Ab sieben hörte er nur noch Motoren aufheulen, der Betonschacht vor der Tiefgarage verstärkte den Lärm wie ein Trompetenrohr. Es folgte in kurzen Abständen eine Autofanfare, deren durchdringender Zweiklang ihn erneut ans Küchenfenster trieb. In dicker Limousine saß ein Ehemann und drängte mit gedanken- und rücksichtslosen Knopfdrücken seine Frau, die sich noch im Haus befand und wieder mal nicht fertig wurde.
    Wer hat nur diese Fanfaren erfunden?
    Es war halb acht, die säumige Ehefrau endlich zugestiegen, da entfaltete sich ein neues Geräusch mit unangenehmer Vibration. Irgendwo bohrte jemand offenbar einen der tragenden Pfeiler an. Beton gilt ja als Lärmleiter zuverlässig schlafhemmend. Zur Orientierung bedurfte es keines Blickes aus dem Küchenfenster.
    Daß ich einen anderen Rhythmus lebe, ist mein Problem!
    Versuche, sich mit Dusche, Gesang und Radio abzuschirmen, scheiterten. Es blieb nur die alte Meditationspraktik, die Störung durch Gegenkonzentration von innen zu verwandeln. Ein zufälliger Blick auf die vom Architekten als offener Kamin gedachte Warze an der Mauer brachte den Einfall.
    Die Bohrmaschine vom Bühlhof muß her! Aus dem Guckloch mach’ ich eine Feuerstelle.
    Versöhnt mit der lauten Welt, hob Lukas den Kanister, füllte den Kessel auf dem Herd mit Wasser aus dem Bühlhofbrunnen. Nach markerschütterndem Dampfpfiff überbrühte er kreisend seine Mischung aus Ceylon und Assam, auf das Ergebnis gespannt.
    Kein Qualitätsverlust! Wird beibehalten. Etwas umständlich, lohnt aber.
    Auf der Eckbank am Tisch trank er seinen Tee. Mit einem eigens besorgten Dachträger hatte er beide hereingebracht. Trotz

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