Geständnisse eines graumelierten Herren
Behaglichkeit störte ihn etwas an den eigenen vier Wänden: daß es nur drei waren.
Hinter dieser Panoramascheibe kommt man sich vor wie ein alternder Zierfisch!
Es gelang ihm, die noch immer ratternde Bohrmaschine ein weiteres Mal als Kreativitätsantrieb zu nutzen.
Tom soll mir ein Sprossengitter machen, das iclj innen auf den Rahmen nagle! Und gleich weiß streichen!
Beim Ausmessen mit dem Zollstock entschied er sich für eine Unterteilung, wie er sie von alten Veranden kannte, und rief umgehend auf dem Riedhof an.
Er hatte gerade aufgelegt, da klingelte sich Renate durch und klang sehr besuchsbereit. Doch er hatte, was man in der Stadt hat — Termine. Ersatzweise erzählte sie ihm das Auf und Ab ihrer Liaison mit Detlef durch die Jahre. Da konnte er sie nicht mit der Bohrmaschine unterbrechen und mußte deshalb ständig dran denken, um es nicht zu vergessen. Und den Schlüssel fürs Bohrfutter. Bis beide alles wußten, was sie einander unbedingt sagen mußten, klingelte es an seiner Wohnungstür. Ärgerlich über die blockierte Leitung trat Georgia ein und durchmaß suchend die ganze Wohnung, wie im Kino die alarmierte Geliebte. Um ihm zu beweisen, daß sie seine Kritik beherzige und arbeite, hatte sie selbständig einen Termin für ihn ausgemacht. Beim Galeristen, mit ihr. Er durfte sich freuen und mußte umdisponieren, was ihn neuerlich am Telefon hielt.
Ohne ihren Mantel abzulegen, wartete sie auf der Eckbank. Ihre Hand strich über den Tisch, und sie fand es höchst vernünftig, daß er gleich alles mitgenommen habe. Genau das hatte Renate für höchst überflüssig erklärt.
„Sich erst ein Nest bauen und dann die Möbel wegkarren?“ Daniela sah darin keinen Widerspruch. Wer das Landleben liebe, möchte sich auch in der Stadt daran erinnern. So hatten sie sich, trotz der nach Umzug aussehenden Dachlast auf seinem Wagen, getrennt, als komme er am Abend wieder.
Georgia fuhr wohltemperiert, ohne jene rücksichtslose Allüre, die ihm bei Frauen in kostspieligeren Wagen immer wieder auffiel. Zuerst hatte seine Männlichkeit aufbegehrt, sich vor dem ersten Schlaganfall von eleganter Hand chauffieren zu lassen, doch sie rechnete das wohl zu ihrer Arbeit, kannte den Weg, und es wäre unsinnig gewesen, seine Parklücke aufzugeben. Auf seinem Platz in der Tiefgarage standen, mangels eines Speichers oder Kellers, Kisten und Möbel, für die in der Wohnung kein Platz war, immerhin hinter Maschendraht.
Die Galerie lag günstig, der Galerist kannte den Männchenmaler nicht nur als Mountdown, sondern schon wieder als Dornberg. Die paar Veröffentlichungen in der Zeitung hatten genügt. Mehr geschmeichelt als interessiert, gefühlsmäßig seiner Heimatstadt um Zentimeter nähergerückt, wurde er sich finanziell mit dem Kunstgeschäftsmann, auch mangels Geschäftskunst, rasch einig. Georgia versprach die Crème einzuladen, der Galerist die Kundigen. Dank der günstigen Lage begegneten sie auf dem Weg zum Wagen einer einzuladenden Dame, Frau eines... Für Einzelheiten war es zu spät, Georgia präsentierte ihn als Entdeckung. Ein Blick der Dame nach Pferdekennerart verriet Lukas, daß sie mit Georgias Familienverhältnissen vertraut sein mußte.
Bei der Zeitung, wohin er sich chauffieren ließ — was eigentlich sehr angenehm war — , trennten sich ihre Wege. Zum Essen mit dem Chefredakteur und einem für ihn eingeladenen Verleger nahm er sie nicht mit, wollte sich auch nicht auf Abholung festlegen. Georgia war am Abend mit Detlef irgendwo zu Gast. Sie küßte ihn selbstzufrieden nach so viel Arbeit und lachte lieb: „Ist doch ganz was anderes in der Stadt!“
Auch mit dem Verleger ließ es sich gut an. Der Drang aufs Land, karikiert — das konnte ein hübsches Weihnachtsgeschenkbuch werden. Fürs nächste Jahr, meinte er im Wagen. Lukas fuhr ein Stück mit ihm, ging dann zu Fuß weiter, um den Restaurantfraß schneller zu verdauen.
In der Wohnung trank er ein Glas Wasser aus dem Brunnen. Bei der Post war ein Brief aus Edinburgh, von Colin, dem Kulturfilmproduzenten. Abschließend zu seiner Studienreise fand er, der alpenländische Menschenschlag habe Ähnlichkeit mit dem schottischen, sei gewissermaßen eine zahmere Ausgabe davon.
Gedanken hierüber unterstrich Lukas mit Bleistift auf dem weißen Kamin. Zwei gebogene Linien markierten die erweiterte Öffnung. Am Strich entlang in kurzen Abständen bohren! Das ist die sauberste Arbeitsmethode. Ich werd ja auch mal bohren dürfen!
Die Klingel unterbrach
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