Geständnisse eines graumelierten Herren
umarmt.
Deine Regie! höhnt eine innere Stimme, ohne den Genuß der Vertrautheit zu beeinträchtigen.
„Machen wir erst den Kamin fertig.“
Renate widerspricht nicht. Stumm arbeiten sie weiter. Die Bewegungen werden langsamer, die Handgriffe unkonzentriert, aus Ablenkung ist Vorspiel geworden, die Bewegungen werden wieder schneller, die Handgriffe genußsicher, bis es nichts mehr gibt, über das sie sich nicht hinwegsetzen würden. Kopflos gehorchen sie der Natur und werden mit Zusammenklang belohnt. Stille, Nähe, Wärme lassen alsbald Gedanken wie Pilze in die Dunkelheit schießen.
So war’s vor zwanzig Jahren nicht. Auch nicht vor zehn.
„Ach, Lukas!“ Sie umklammert ihn. „Wieso ist das so anders bei uns?“
„Die Zinsen der Zeit“, sagte er und streichelt. „Wir sind ja fast schon verwandt.“
Mit den Signalen im Haus nicht ganz vertraut, gelingt es ihm, das Klingeln erst beim zweiten Mal zu orten. Von der Wohnungstür kommt’s und die Frage, ob Georgia etwas vergessen habe, liegt nahe.
„Leute gibt’s!“ kann er sich nach längerem Palaver wundern und berichten. Sein Wohnungsnachbar, ihm völlig unbekannt, hat sich auf dem Umweg über den Hausmeister wegen des Bohrens beschwert und rächt sich seit Minuten mit zu lauter Musik, Operettengelee, demnach nicht der Jüngste.
Renate, unter der Dusche, wundert sich nicht. Von Berufs wegen mit Unfrieden in Häusern erfahren, ist sie gespannt, was er zu tun gedenkt.
„Gar nichts. Mit Wohlstandproleten lege ich mich nicht an. Ich seh’ ihn nicht und hör’ ihn nicht. So gibt sich das von allein.“
Aber Nerven kostete es und warf einen Schatten auf die Wohnung. Zum Essen fuhren sie in ein Restaurant, mit Parkplatzsuche und Fremden am Tisch, die sich über Urlaubsgebiete verbreiteten, vor allem über deren Freizeitwert. Das Wort regte den Männchenmaler zu Bildern an: Sesselliftbar mit Weitertransport zu Skipiste oder Swimmingpool, Kletterer-Parkhochhaus im Matterhorn — raus aus dem Wagen, rein in die Wand! Die Speisekarte hatte TIMES-Format, um so kleiner waren die Portionen, der Wein gezuckert und die Preise gesalzen. Auf der Straße hielten sie sich aneinander fest, gingen im Gleichklang.
Renate fuhr hinaus auf den Hof, er ging zu Fuß in seinen Block, beruhigte den Magen mit Drambuie und zeichnete, ohne Operettengezwitscher.
Um Mitternacht rief Georgia an. Alfredo Müller-Passavant lasse grüßen. Bohrbeschwerde und Flucht ins Lokal stimmten sie glücklich.
Lukas blieb geschäftig in diesen Tagen. Er arbeitete vor, musterte Zeichnungen für die Galerie aus, ordnete sie nach Bezügen, besprach sich mit dem Galeristen, ergänzte, kaufte einen kleinen Fernsehapparat, beendete die Kaminerweiterung, telefonierte mit Renate, Georgia, Tom dem Schreiner und gewöhnte sich an die Geräusche der neuen Umwelt.
Es ist nicht so, daß ich in der Stadt mehr arbeite! stellte er fest, — im Gegenteil. Lauter Halbheiten durcheinander, dazwischen hektische Wege. In Ruhe eine Sache machen, bis sie fertig ist! Fenster einsetzen, Klappläden davor, mit der Sperrlatte dazwischen gegen den Wind...
Das Sprossengitter war fertig. Allein fuhr er auf der direkten Straße zum Riedhof. Kilometerlang hinter einem deutschen Betonmischer mit der englischen Aufschrift readymix.
Unübersichtlich, in dicken weiten Pullovern freuten sie sich über den Besuch, nötigten ihn an den Eßtisch in der Küche und zwickten ihn mit der Stadtwohnung auf. Ob er da auch ein Zu-Haus ausbaue? Uli hatte, wie immer, etwas für ihn: eine bäuerliche Standuhr. Doch Lukas widerstand, er nahm nur den Kofferraum voll Kaminholz mit. Das Sprossengitter, wegen Überbreite, nach Art eines aufgeklappten Konzertflügels auf dem Dachträger befestigt, fuhr er weiter und kam, von dieser Seite, zuerst zum Pacherhof. Am Futtersilo, der nicht als häßlicher Turm neben dem Hof, sondern unter Dach aufgeführt war, traf er Alois und beide freuten sich. Als freier Mann hatte der Pacher sofort Zeit für einen Ratsch in der Stube. Die Bäuerin gesellte sich dazu, Agnes und der Pepi. Sie saßen und standen um ihn herum, als sei er von der Weltreise zurück und nicht die beiden Nachbarinnen.
„Is doch schön bei uns, gell ja?“
Über das Zu-Haus oder die Straße verlor niemand ein Wort. Um so ausführlicher ging’s um Maxis Schwierigkeiten mit der Bullenzucht, Luggis jüngsten Rückfall trotz Frau Schmidhuber, die sich seiner angenommen habe, um ein krankes Schaf vom Bühlhof und was der ländliche
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