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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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schloß auf.
    Lukas hielt beide ganz fest. „Leider ist es wohl die Wahrheit.“ Er hatte es nicht sagen wollen. Nicht so und noch nicht heute. Doch er kannte diese Gesprächsentwicklungen, wo auf ein Mißverständnis die einzig mögliche Antwort die Wahrheit ist. Sein Bemühen abzuschwächen, scheiterte am Gleichmut der beiden. Idylle sei immer bedroht! — erfuhr er. Rund um den Bühlhof hätten es schon ein Flugplatz für Segelflieger, ein Golfplatz, ein Reiterhof, ein Baggersee und eine Autobahn nicht über das Gerücht hinaus gebracht. Gewiß mit Hilfe einflußreicher Hof- und Landhausbesitzer, oder, wie Daniela es formulierte: „Naturschutzgebiete entstehen durch Zweitwohnsitze prominenter Bürger.“
    Sie sahen ins Feuer und schwiegen und standen fast gleichzeitig auf, in gleicher Absicht, wie sich herausstellte: um das Abendessen herüberzuholen. Renate brachte ein selbstgemaltes Hinterglasbild mit und hängte es über die Eckbank an die Wand. Daniela brachte einen Stuhl und einen kleinen Kerzenleuchter mit Halbschirm. Sie stellte ihn dorthin, wo er fehlte, auf den Lärchenbalken und zündete die Kerze an.
    Lukas küßte sie. Für perfekte Lichtbalance, wie er sagte. Renate ging noch einmal hinüber, brachte einen zweiten Stuhl — mit seinem Polsterbäckchensessel waren es drei vor dem Kamin — sowie eine Waagbalkenuhr aus der Riedhofproduktion, mit Holzräderwerk und nur einem Zeiger, aber unbemalt. Der ideale Platz über dem Kamin mußte wegen des Zuggewichts entfallen. Lukas hängte sie schließlich an einen weißüberkalkten alten Haken neben der Bank, von wo sie über das fauchende, frisch geschürte Kaminfeuer ihr beruhigend-endloses Zeitmotiv tickte.
    „Mir geht dein Satz nicht aus dem Kopf: Wenn eine Krise kommt...“ Daniela überschaute den Raum, „vielleicht wird das unsere Zuflucht? Etwas kommt ja.“
    In voller Übereinstimmung beschwor Lukas die Unabhängigkeit und förderte aus dem Entschuldigungsfundus seines noch latent schlechten Gewissens weitere Beispiele, von denen eines Heiterkeit auslöste: sein Krisenkühlschrank — eine Blechkiste mit Deckel im Bach verankert.
    Auch Renate stimmte mit ihrer Berufserfahrung im Immobiliengeschäft voll für Unabhängigkeit. „Gerade weil Nachbarhilfe hier selbstverständlich ist, soll man sie nie strapazieren! Wir revanchieren uns immer. Auf Hilfe angewiesen sein, gar über längere Zeit, — so weit darf’s nie kommen. Wenn sie der Nachbar auch gewährt und das sogar gern, kann die ländliche Jugend da sehr verletzend sein, dich fühlen lassen, daß du eben doch nicht hergehörst. Wir haben ein einfaches Rezept: Hilfreiches Nebeneinander und bevor man Pflegefall wird, zurück in die Stadt. Wobei Nebeneinander voraussetzt, daß man anerkannt ist! Man muß immer ein bißchen psychotherapieren, gut Wetter machen. Ich finde das ganz normal. Bauer und Zugezogener sind einander in der Lebensweise fremd. In der Stadt werden solche Unterschiede genau getrennt. Da hat jeder seinen Kreis, seine Gegend, sucht seinesgleichen. Kauft er sich was auf dem Land, will der Städter den größtmöglichen Gegensatz mit einem Anlauf überspringen. Manche biedern sich an, auf plumpeste, unwürdigste Weise...“
    „Das hassen die Einheimischen!“ bestätigte Daniela. „Ich erfahre durch die Astrologie allerhand. Anerkannt wird, wer sein Sach’ in Ordnung hält, seinen Besitz nutzt, nicht nur am Wochenende, den Rhythmus nicht stört und nicht großspurig auftritt. Man muß seinen Stil weiterleben. Wenn du dich selbst verkaufst, verkaufst du am besten gleich alles wieder. Es sei denn, die Geldgier hat bereits zur Überfremdung geführt. Dann lebst du anonym, wie in der Stadt. Sonst aber weiß man über einander Bescheid...“
    „Der ländliche Nachrichtendienst“, bemerkte Lukas.
    Sie lachten und Daniela fuhr fort. „Unser Zu-Haus steht auf der Bauernbühne. Alle kennen dich und sind gespannt, wer da jetzt einzieht. Gibt’s eine Hochzeit? Dann wär alles in Ordnung. Aber so? Du hast hier auch ein Problem ausgebaut!“
    „Nennt es einfach Gästehaus“, schlägt er vor. „Das wird eurem Ruf gut tun, wenn zum Beispiel ich mal übers Wochenende komme, oder sonst ein Mann.“
    Renate sieht ihn an. „Ich werde Frau Schmidhuber sagen, du hast es für meine Kinder ausgebaut.“
    „Dann denkt sie, die wären von ihm!“ denkt Daniela laut, und beiden fällt ein, wie leicht das hätte sein können. Er hat seinerzeit den besseren Zyklusschutzengel gehabt als sein

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