Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
Martina?“
    „Euer Problem. Ich habe nur nach Plan gearbeitet und bin noch nicht fertig.“ Mit Tonfall und Ausdruck mildert er seine Worte. Unnötig, wie er feststellt. Sie kennen ihn.
    Kurz nach Mittag findet sich das Problem ein. Die drei hatten im Zu-Haus gekocht und gegessen, nicht nur weil Frau Schmidhuber drüben alles auf den Kopf stellte, nach acht Wochen und einem indischen Shawl noch redseliger als sonst. Bei Kaminfeuer sitzen sie auf der Eckbank, Lukas in der Mitte, links Renate, rechts Daniela im Arm, da tritt die Fernsehbäuerin ein. Nicht die ungewohnte Türschwelle veranlaßt ihren Gleichgewichtssinn zu kleiner Korrektur, es ist die Ausstrahlung, die von der Eckbank kommt. In diesem Augenblick — das fühlen die drei als Einheit — wird ihr klar, daß sie den Kauf von Möbeln vorerst zurückstellen kann.
    Doch Martina geht der Auftritt vor. Unsensibel durch Prominenz, gebärdet sie sich cool, grüßt mit einem Fremdwort, freut sich, gibt Küßchen und setzt sich dazu. Die drei Dünnhäutigen wechseln Blicke, Lukas hat die Arme zurückgezogen und fühlt sich, als einziger Gockel, zum Krähen berufen. Wie sie sehe, sei die Überraschung ein Erfolg gewesen. Aber der Friede täusche. Man stelle gerade fest, was noch fehle. Der Kachelofen vor allem, ohne den das Haus unbewohnbar sei, Fenster, die von der Baubehörde genehmigt werden müßten, und dann die Straße...
    Der Gockel genießt die fragenden Blicke, während er einen Schluck trinkt, bevor er sich, gewissermaßen im Einzelwortverfahren, Details entlocken läßt, die, wie alle höhere Gewalt, ihre Wirkung nicht verfehlen, in diesem Fall die Stimmung eher heben. Man wird abwarten müssen, keiner hat einen Vorteil, die Gegenwart ist gerettet.
    Als um die Teestunde Detlef und Georgia dazukommen, sorgt die Straße gar für gehobene Stimmung. Die Ungewißheit wird Lukas dorthin bringen, wo zumindest drei von fünf finden, daß er hingehöre. Er amüsiert sich in der Rolle des Verlierers.
    Freund Detlef war wieder auf dem Messnerhof gewesen, hatte dort von Lukas’ Rat wegen der Gedenktafel gehört und fühlte sich hintergangen. Seine Ansicht, der vermeintliche Freund wolle ihn nicht in Renates Nähe haben, erforderte einen Einfall.
    Von einem Anwalt, meinte der Hofhüter außer Dienst, habe er Verständnis für kompliziertere Gedankengänge erwartet. Ihm sei es darum gegangen, den Messnerhofbesitzer zum Verkauf zu veranlassen, indem er seinen nicht mehr gutzumachenden Fehler begreift. Andererseits wolle er auch nicht versäumen, vor dem Objekt zu warnen. Aus bäuerlicher Sicht sei auf dem Messnerhof kein Segen.
    Das tat Freund Detlef unter Martinas beifälligem Gelächter als schlichten Quatsch ab.
    Martina verkündete, sich nunmehr an die Arbeit zu machen, für die sie sich beim Sender abgemeldet hatte: Recherchen für ihre Talk-Show mit Menschen, die auf dem Land ansässig geworden sind. Sie fuhr weiter zum Riedhof und zu den alten Damen auf dem Michlhof. Tschüß!
    Die Straße hatte als Thema ausgedient. Zu fünft stagnierte das Gespräch. Detlef wollte mit Renate einen Spaziergang machen — es regnete; Georgia wollte mit Lukas das Geschirr in den Hof hinüberbringen — Daniela erklärte, das bleibe da. Von ihrer Reise wollten beide ein andermal erzählen. Da kam Ellen vom Schusterhof wie angerufen. Auch ein Thema brachte sie mit: sich selbst. Die Galerie für ihre geplante Ausstellung in der Stadt war gefunden, die Ausstellungsfläche für ihre Bilder leider zu groß. Da hatte sie an Lukas gedacht. Öl und Graphik, Naiv und Karikatur müßten einander kontrapunktisch aufs beste ergänzen, stelle sie sich vor. Georgia lobte die Idee, sie kannte die Galerie, und Detlef versprach die Vernissage dort aufzuziehen mit allem, was Rang und Namen hat. Euphorisch ging Ellen in den Hof hinüber, um dem Galeristen die gute Nachricht durchzusagen und kam mit einem schönen Gruß wieder: Lukas möge in den nächsten Tagen vorbeischauen und seine Arbeiten mitbringen. Seine Antwort, er werde gelegentlich nachsehen, ob er für solche Zwecke überhaupt etwas habe, bremste den Erfolgsgalopp.
    Schließlich dankten alle einander. Für Tee, Hilfsbereitschaft, Partnerschaft, Warnung, Zustimmung, Unterstützung, Sondierung und schieden als Freunde, Partner, Liebende, Sieger, Verstehende, Reservierte und Amüsierte.
    Nach Verklingen der unmusischen Motorschwingungen legte Daniela die Arme um Lukas. „Das mit der Straße war ein genialer Einfall!“
    „Ja.“ Renate

Weitere Kostenlose Bücher