Geständnisse eines graumelierten Herren
die letzten, daß sie nicht kommen.
„Musik hält’s Dorf z’sammen!“ zitiert Lukas den Alois. Wenn die Bauern spüren, daß die Stimmung abflaut, greifen sie zur Selbsthilfe, nicht nach dem Radio. Sie singen. Lukas greift dann doch zur Technik. Für alle Fälle hat er ein Tonband mit schottischen Gruppentänzen zu Fiddelmusik eingesteckt. Anfangs führt er ein bißchen, zeigt Figuren, sagt Wechsel an. Bald ist mit Tanz und Trank ein Ceilidh im Gang, die Mädchen hüpfen wie aufgezogen, Freddy stößt Juchzer aus.
„Es lebe das Glatteis!“ lallt der Gastgeber, ganz großer Junge, auf dem Schoß seiner Frau. Da klingelt es. Diesmal an der Tür.
Die drei Männer gehen, um nachzusehen. In dichtem Schneetreiben keucht draußen ein zerzauster alter Herr: „Helfen Sie... meine Frau...“
Der Gastgeber nennt ihn beim Namen. Lukas und Freddy laufen hinaus zu der Limousine, die mit nur einem Licht nach außen in die Gegend schielt. Die Tür klemmt, die Scheibe ist gesplittert. Freddy stemmt den Fuß gegen die arg verbeulte Karosserie und zieht am Griff. Zu zweit helfen sie einer leise vor sich hinwimmernden Frau im Pelzmantel über langem Kleid heraus. Verletzt ist sie wohl nicht, wackelig steht sie da, gibt jedoch keine Antwort. Ein Schock vermutlich. Freddy nimmt sie kurzerhand auf die Arme und trägt sie in den Hof, wo sie auf ein Bett gelegt und vom Gastgeber medizinisch betreut wird. Der zerzauste Mann sitzt neben der Gastgeberin in der Stube und wird mit einem Schnaps beruhigt. Sie haben sich überschlagen.
Es gibt nichts mehr zu helfen und nichts mehr zu feiern. Arm in Arm mit Lydia und Cornelia kommt Renate aus dem Stall, Daniela steckt das schottische Tonband in ihre Handtasche. Lukas wendet sich an die Gastgeberin. „Sie müssen sich jetzt um Ihre Freunde kümmern. Wir fahren, sonst schneien wir noch ein.“
Vernunft vereinfacht den Aufbruch um diese Stunde an diesem Abend. In dichtem Schneetreiben tuckert der Traktor durchs weglose Weiß. Kalte Küche für gut zwanzig Personen baumelt in Plastiktüten am Anhänger. Die Trinität ist stolz auf ihre zugelaufenen Kinder. Jugend als Lichtblick für Erwachsene — das hat man selten. Renate weiß es nur zu genau. Lydia hat sie an Marion erinnert. Lydia soll in Marions Zimmer schlafen. Das Pärchen im Stüberl. Es klingt tränennah.
„Kupplerin!“ lenkt Daniela ab. „Schau wie es schneit! Da werden sich die Skiläufer freuen.“
„Wenn ihr ins Engadin wollt, — ich bin ja da.“ Lukas’ Vorschlag bleibt ohne Antwort. Glockengeläut aus dem Dorf läßt ihn auf die Uhr schauen. „Meine Liebsten!“ ruft er, „hört ihr’s? Wir fahren ins neue Jahr.“
Von rechts und von links neigen sie sich ihm zu und er vernimmt seinen eigenen Wunsch.
„Heute Nacht schlafen wir wieder zusammen.“
III.
Männlich und seßhaft
Ich glaube, ich bin glücklich!
Lukas Dornberg, renommierter Männchenmaler, in der englischsprechenden Welt mit abnehmender, in seiner Heimat mit zunehmender Popularität, sitzt in seiner Strickweste vor dem Bühlhof auf der Bank unter der Laube, Bella liegt zu seinen Füßen, Frühlingssonne versilbert seine Schläfen. Mit geschlossenen Augen sitzt er da, nachdenkend über alles, über sich und über Zukünftiges. Zwischenbilanz macht er, wie er das nennt, und bei jeder Veränderung in seinem Leben gemacht hat, ob sie den Namen einer Zeitschrift, einer Firma, eines Verlages trug, oder zwei weibliche Vornamen.
Hinterm Hof tuckert ein Traktor. Er weiß: Alois schaut nach den Schafen. Auf dem Land kennt man die Geräusche. Ohne Alois könnten Renate und Daniela die Tiere nicht halten. Manches ginge nicht ohne diesen Glücksfall von einem Nachbarn.
Mein Freund Alois.
Nicht alle Bauern sind wie er, so herzlich, weltoffen, verständnisvoll. Ein fröhliches Naturell, ein freier Mann. Der Nachbar, der Nächste, ist lebenswichtig, die gute Nachbarschaft ein Ruhekissen. Schlechte Schwingungen sind in der Stadt sozusagen unter sich ; auf dem Land machen sie krank. Heiteres Eros — sein Entschluß war richtig. Seitdem klappt die Trinität.
Ich bin auch eisern! Mit fünfzig hab ich endlich die Kraft. Mit dreißig war fünfzig für mich steinalt. Jetzt überhaupt nicht. Und das, ohne nochmal dreißig sein zu wollen. Es wird schöner mit den Jahren...
Das Zu-Haus ist fertig, sein Zuhause und nahezu krisensicher. Ein paar Kleinigkeiten noch. Lukas hat es bei der Proforma-Schenkung belassen und den beiden seine Stadtwohnung geschenkt. Sie
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