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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Krisenmanager überprüft die Anlage, dreht an Ventilen, als gelte es ein antikes U-Boot zu fluten. Renate bittet ihn zu Wasser, doch drei faßt die Wanne mit den koketten gußeisernen Füßchen nicht. Da hat sich Daniela erhoben und in ein Badetuch gewickelt. Sie muß nach dem Herd schauen. Provozierte Versuchung gehört auch zur Krisenprobe, scheint ihr Lächeln zu sagen. Renate liegt stumm in der Wanne, Bella knurrt, als er sich auszieht. Daniela nimmt sie mit. Das Wasser offenbart den Kulturverlust durch Kanalisation.
    Vor zehn Jahren hätten sie auch miteinander gebadet, sagt Renate. Er weiß es. Sie hat sich neben ihn auf den Rand der Wanne gesetzt und vertieft mit Seife an seiner Schulter Erinnerung wie Krise. Der heitere Eros droht unterzugehen. Lukas ist von Reizen überweibt, sie hilft stimulierend nach und bewirkt, da Unnötiges in solcher Lage stört, das Gegenteil. Seine Virilität ist beleidigt. Sie glaubt den Lieblosigkeitsbeweis in der Hand zu haben, er findet die penidorme Phase ganz praktisch.
    Unübertroffenes Hausmittel gegen Komplikationen.
    Mit lautem Lob auf das Wasser verläßt er Renate und Wanne. Bella begleitet ihn von der Treppe zum Herd, wo er Daniela über die Schulter schaut. „Was gibt’s denn Gutes?“
    Mit derselben Frage folgt alsbald Renate, und in heiterer Neutralität leistet jeder seinen Beitrag zum nächsten gemeinsamen Genuß.
    Daniela tischt ein Drei-Sterne-Krisengericht auf, ohne Fleisch, das niemand vermißt bei ihrer sinnlichen Art zu kochen. Nach der süßsauren Buchweizengrütze kommt die Frage, auf die er seit dem Bad wartet. Ob sich auch im Hof ein Tank für Regenwasser einbauen lasse? Zur Steigerung des natürlichen Komforts außerhalb von Krisen. Sein Nicken hebt die Stimmung, das weitere Krisenprogramm wird zum Lachkabinett.
    Lukas bügelt seine Hose mit dem schweren Holzkohleeisen, das er hin und herschwenken, und die Temperatur mit feuchtem Finger abschätzen muß. Daniela schneidet sich selbst die Haare, was sie seit Jahren tut. Dann kommt er dran. Renate dreht sich, besonders wohlgelaunt, mit der Brennschere Locken. Aus dem Feuer geholt wird das Eisen zuerst unter der Nase vorbeigeführt, um die Hitzeabstrahlung zu prüfen. „Genau wie meine Mutter!“ freut sie sich bei ihrem Tun. Lukas sieht die rundliche Grete Zierholt vor sich, die nach jedem Satz gell? fragte, — eine deutsche Variante des englischen isn’t it?
    „Unsere Altvorderen haben ihre Sinne noch gebraucht!“ sagt Renate. „Wenn ich dran denke, wie sich mein Vater mit dem offenen Messer rasiert hat, den Hals hinauf!“
    „Das waren Erfolgserlebnisse.“ Daniela lächelt.
    Lukas ging’s beim Brot- und Wurstschneiden vor dem Frühstück so. Freihändig die gleiche Stärke halten, das ist eine kleine Bewährung, und die bringt eine kleine Zufriedenheit, um die wir uns mit der Maschine prellen.
    Renate hat Kerzen angezündet. Sie führt das Auto an, wo die Maschine die Zufriedenheit bringe, weil wir mit ihr fertigwerden. Es rührt ihn, wie sie darum ringt, bei Übereinstimmungen dabei zu sein.
    Bella steht in ihrem Korb und bellt. Draußen läuft ein Motor. „Unsere Überraschung!“ ruft Daniela am Fenster.
    Sie waren selbst überrascht gewesen, an jenem Abend im Engadin. Sie saßen mit Detlef und Georgia beim Essen, als ihnen der frankentüchtige Wirt zwei Personen an den vorbestellten Tisch quetschte. Das Paar, das nichts dafür konnte, wirkte distinguiert, dabei herzlich. Er graulockig, langschädelig, stämmig und von jenem Zuschnitt, der einen automatisch mit englischer Aussprache Major sagen läßt und zu ihr Mylady. Aber keine von der kamingetrockneten Sorte, vielmehr sehr lebendig, zierlich-kompakt, mit belustigtem Blick. Um nicht miteinander zu sprechen, war der Tisch zu klein. So machten die Zusammengepferchten aus der Unart eine Tugend, indem sie sich vertrugen.
    Detlef und Georgia konnten sich gut verständlich machen, Renate weniger, Daniela, einstens mit einem Engländer verheiratet gewesen, bis in Nuancen. Das Paar stammte, wie sich herausstellte, aus Schottland. Als Daniela beiläufig den Namen Mountdorn erwähnte, kam es zu der Überraschung. Serag und Pixie, wie die Schotten sich nannten, kannten Lukas persönlich. Er hatte bei ihnen gewohnt, sie korrespondierten regelmäßig mit ihm. So war man nach der hier fälligen Verwunderung über die doch wirklich kleine Welt übereingekommen, ihn zu überraschen. Rechtsverkehr, Schneetreiben und Straßenglätte im ungewohnten

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