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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Ausstrahlung, mit allerlei Streifen und Zeichen auf scheußlichen Skianzügen standen da ein Bursche und zwei Mädchen. Ohne Gruß kam die Frage: „Sie, können wir bei Ihnen übernachten?“
    Verstockten Andeutungen zufolge, die sie immerhin machten, war ihr Wagen auf der spiegelglatten Straße in den Graben gerutscht. Bei vergeblichen Versuchen, ihn herauszubekommen, hatten sie Licht im Hof gesehen. Und das Transistorradio gleich mitgenommen.
    So selbstverständlich Hilfeleistung auf dem Land noch ist, hier löste sie Überlegungen aus. Der Bursche, ein athletischer Querulant, so schien es jedenfalls, wollte erst einmal telefonieren. Er tat es ausgiebig. Sie saßen mit dem Wagen fest, — das schien zu stimmen. Die Mädchen qualmten Zigarillos auf der Eckbank, das Transistorradio zwischen sich. Eine Frage, ob ihre Musik oder die Lautstärke stören würden, unterblieb ebenso wie die nach den Telefongebühren.
    Daniela und Renate kamen dazu und vertieften mit ihren langen Kleidern die Kluft zwischen den Generationen. Besorgte Blicke innerhalb der Trinität. Was sollen wir tun? Absagen? Mit diesen Typen Sylvester feiern? Sie im Hof allein lassen? Mitunter sind solche Kinder ja viel harmonischer als Mode und Entwicklungschemie sie sich darzustellen zwingen.
    Der Mann auf dem Hof entschied sich für die Tat. Vielleicht war der Wagen freizubekommen?
    Das sei nicht schwierig, erklärte der Bursche patzig und blieb sitzen. Aber es sei zwecklos. Er werde nicht weiterfahren. Keinen Meter.
    In der Sache war das gewiß richtig, in der Tonart des Vortrags jedoch gewöhnungsbedürftig. Lukas nickte vor sich hin.
    „Dann mach ich euch mal eine Suppe!“ überbrückte Renate mit großer Herzlichkeit und ging in die Küche.
    „Mir lieber einen Schnaps!“ rief ihr das dickere der beiden Mädchen nach und stellte die ungute Stimmung wieder her.
    Anfänglich glich die Unterhaltung dem Bemühen eines Lehrers, schlechten Schülern Spuren von Wissen zu entlocken. Wenigstens machten sie vom Aschenbecher Gebrauch. Daniela stellte die Schnapsflasche auf den Tisch, dazu Gläser. Das dickere der beiden Mädchen — beide Pummel, das Haar bis auf die Wimpern herunter, mit eigensinnigen Mündern zwischen Pausbacken eingeklemmt — schenkte mit einer durchgehenden Neigung der Flasche ein. Ohne Dank oder Blick kippten die drei und dasselbe gleich nochmal.
    Lukas begann wieder im Schnee. Da brachte Renate die Suppenterrine, Teller, Löffel und Brot und teilte aus.
    „Seid ihr Zwillinge?“ fragte Daniela unvermittelt.
    Es traf zu. Verwundert über die Frage, oder einfach darüber, daß sich jemand so mit ihnen beschäftigte, um das zu erraten, schaffte sie eine Plattform des Zutrauens.
    Nun fand Lukas, wie Renate von Anfang an, den richtigen Ton. Statt gewollt launig, behandelte er die Kinder als verständige Kinder. Der unerwartete Besuch machte ihm Laune, die in einer Idee zur Rettung des Abends gipfelte.
    „Wir sind eingeladen. In der Nähe. Und ihr kommt mit! Das ist ein großes Fest, da sind sicher auch junge Leute.“
    An fünf Augenpaaren konnte er ablesen, wie sein Vorschlag hinter den Stirnen arbeitete. Renate war sofort einverstanden, Daniela konzentrierte sich auf die Telefonnummer des Schlöglhofs, der dickere Pummel ließ Verlockung erkennen, der Bursche und seine Freundin mauerten. Dagegen zu sein, machte ihn einfallsreich. Vom Glatteis bis zur Kleidung.
    „Nehmt’s mit Humor!“ empfahl der Mann auf dem Hof. „Die Lage ist, wie sie ist. Kein Grund, vermiest ins Neue Jahr zu gehen.“
    Daniela rief an.
    Der sportliche Chirurg und seine sportliche Frau dachten allerdings nicht an Überraschungen, mehr an eine gediegen-beschwingte Feier auf ihrem Picobello-Hof. Festlich in festlichem Rahmen, schon rein optisch eine Freude der Nobelklasse. Wer weiß, vielleicht zum letzten Mal in diesen unsicheren Zeiten?
    Noch ist kein Gast eingetroffen. Nur fernes Traktortuckern zu hören. Hatte einer bei dem Glatteis einen Unfall und läßt sich ans Ziel schleppen? Der Traktor kommt näher mit dürftigem Winteraufbau aus Segeltuch. Hinten hängt keine Limousine dran, Gott sei Dank, vielmehr ein Pferdetransporter. Trotzdem biegt er in die Einfahrt ein. Nachricht von einem schweren Unfall? Kundenblut. Die schwarz-weiß-Gastgeber sehen rot. Darf das alte Jahr so enden? Haben sie das verdient? Sie haben gut verdient, eine Hochseeyacht erworben, für Katastrophengebiete gespendet, Gelegenheiten gab es ja.
    Der Traktor hält. Aus seiner

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