Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
mir auf den Rücken, nennt mich einen Pfundskerl und bewundert Daniela, weil sie sich so viele Gedanken gemacht hat. »Morgen geht Beat dann?«, sagt er mehr, als dass er es fragt, und ich nicke.
»Gut, dann gehen wir jetzt nach Hause, damit wir morgen fit sind für den allerletzten Abschied«, sagt er.
Daniela tritt vor, streichelt noch einmal über den Sarg, dreht sich dann abrupt um und geht mit Räto hinaus. Über die Schulter wirft sie nochmals einen Blick auf den Sarg und ruft leise: »Tschüss!«
Stoffel und die Autonummern
Einer meiner Cousins hat einen Sohn, der das Down-Syndrom hat, früher sagte man, diese Menschen seien mongoloid. Ich liebe diesen jungen Mann, der – wenngleich nach Jahren schon erwachsen – immer einen total abgegriffenen Teddybären mit sich herumschleppt und zu jedermann lieb und freundlich ist. Ihm fehlt die Fähigkeit zu abstrahieren, und so kommt es, dass manchmal kleine Ereignisse des Tages für ihn zu einer Katastrophe werden können, etwa wenn sein Löffel beim Essen auf der falschen Seite des Tellers liegt. Aber, man mag es glauben oder nicht, das sind auch schon seine größten Sorgen. Ansonsten hat er keine, macht sich keine, und sein Vater sagte mir einmal: »Manchmal beneide ich ihn, der steht jeden Morgen frohgelaunt auf, und ihm scheint die Sonne aus dem Arsch.«
D en Stoffel kennt in unserem Stadtteil jeder. Stoffel heißt eigentlich Herbert und ist behindert. Wie man diese Behinderung nennt, weiß ich nicht, aber offensichtlich ist er mit etwa 14 Jahren im körperlichen Wachstum stehengeblieben und nur noch gealtert. Seine geistige Entwicklung entspricht wohl der eines Vier- oder Fünfjährigen. Ich kenne Stoffel seit mindestens zwanzig Jahren, er muss jetzt ungefähr 40 sein, vielleicht auch etwas älter, so genau kann man das nicht einschätzen. Stoffel ist also geistig behindert, kann etwas sprechen, kurze Sätze, aber keine längeren Unterhaltungen führen.
Am allerliebsten schreibt er Autonummern auf und hat zu diesem Zweck immer ein Notizbuch und einen Bleistift dabei. An einer Schnur um seinen Hals hängt ein Anspitzer, und ab und zu spricht er wildfremde Leute an: »Onkel, kannst du mal schreiben?« Dann deutet er auf das Kennzeichen eines Autos und freut sich ein Loch in den Bauch, wenn man ihm das Kennzeichen in sein Buch schreibt. Er selbst schreibt natürlich auch, doch das ist nur Gekritzel. Man tut aber gut daran, seine Schreibkünste immer zu loben, wenn er sie einem zeigt, denn sonst ist Stoffel traurig, und das will ja keiner.
Ich muss zugeben, an Stoffel habe ich einen kleinen Narren gefressen. Vor Monaten gab es nämlich einen hässlichen Zwischenfall mit und um Stoffel, der ihn und seine Mutter beinahe umgebracht hätte.
Die in unserer Gemeinde recht bekannte Frau Birnbaumer-Nüsselschweif, die mir schon mehrfach unangenehm aufgefallen ist, ging an einem Oktobertag auf den Friedhof, um ein Grab für Allerheiligen vorzubereiten. Dabei sei ihr der Stoffel gefolgt und habe ihr über den ganzen Friedhof nachgestellt. Das kann ich durchaus nachvollziehen, denn so was macht Stoffel hin und wieder. Wenn ihm jemand gut gefällt, läuft er demjenigen auch gerne mal bis zur Haustür nach und freut sich einfach, einen netten Menschen getroffen zu haben. Mehr als ein paar nette Worte oder eben eine Autonummer will er ja gar nicht von einem. Mit mir hat er das auch schon gemacht, und als ich ihm einen Schokoriegel schenkte, hat er sogar eine Seite mit Autonummern aus seinem Buch herausgerissen und sie mir voller Stolz als Gegengeschenk überreicht.
Dass Stoffel so ist, weiß hier jeder, und auch die Birnbaumer-Nüsselschweif muss es gewusst haben. Stoffel sitzt oft ganze Nachmittage mit den kleinen Kindern im Sandkasten auf dem großen Spielplatz und backt Kuchen aus Sand. An anderen Tagen fragt er auch schon mal Passanten nach einer Zigarette. Stoffel raucht nicht, weiß vermutlich gar nicht, wie das geht, aber es macht ihm Freude, mit der Zigarette im Mund herumzulaufen, und er ist dann immer ganz stolz.
Ganz besonders mag Stoffel alte Frauen, die er durchweg Omama nennt und denen er einfach die Einkaufstaschen abnimmt und nach Hause trägt. Selbstverständlich erwartet er dafür auch eine Bezahlung: ein Bonbon, ein Kaugummi oder auch einen alten Knopf – egal. Hauptsache, er bekommt seine Bezahlung. »Viel Arbeit«, sagt er dann und beeilt sich, damit er schnell wieder zur Hauptstraße kommt, um ja keine neue Autonummer zu verpassen.
Aber wie
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