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Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig

Titel: Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wilhelm
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zugetragene – Information ihre Wirkung nicht. Sie schwor beim Grab ihrer Mutter und den sieben Geißlein, dass sie niemals ein Sterbenswörtchen darüber verlieren werde, und verließ aufgeregt die Markttoilette; kaum eine Stunde später machte die Geschichte in der ganzen Ortschaft ihre Runde.
    Es heißt, am nächsten Sonntag habe die Birnbaumer-Nüsselschweif eine ganze Kirchenbank für sich allein gehabt, weil sie von allen geschnitten wurde. Stoffel jedenfalls war rehabilitiert, und die Geschichte konnte allmählich in Vergessenheit geraten.

    Jetzt sitzt mir Stoffel im Bestattungsinstitut gegenüber und schaut mich mit großen Orang-Utan-Augen an. Er ist traurig, seine Mama ist tot. Neben ihm sitzt sein Bruder Herrmann, ein großgewachsener, gutaussehender Mann. Ich wusste, dass es eines Tages passieren würde, denn Frau Weiß war vor Jahren schon bei uns, um eine Bestattungsvorsorge abzuschließen.
    Normalerweise suchen sich die Menschen dann alles aus, ich rechne zusammen, und es wird ein Sparbuch über den nötigen Betrag angelegt. Frau Weiß hat mir allerdings nur Vollmachten und einen Auftrag unterschrieben, den Rest hat sie in zwei großen braunen Umschlägen festgelegt. Dazu hatte sie mir eingeschärft, unter welchen Bedingungen ich welchen Umschlag öffnen soll. Der jeweils andere soll dann unverzüglich und ungeöffnet vernichtet werden. Nun denn, es ist zwar außergewöhnlich, aber es kommt immer wieder mal vor, dass ältere Menschen ganz detaillierte Anweisungen geben.
    Meine Aufgabe soll es nun sein, herauszufinden, wie es mit Stoffel weitergeht. »Wenn mein Sohn Herrmann seinen Bruder zu sich nimmt, öffnen Sie bitte Umschlag Nummer 1. Sollte er das aber nicht tun, vernichten Sie diesen Umschlag und öffnen Sie Umschlag Nummer 2«, hatte Frau Weiß gesagt und mir die beiden Umschläge über den Tisch geschoben.
    Auftragsgemäß frage ich Herrmann: »Was wird denn nun aus Ihrem Bruder?«
    Herrmann zuckt mit den Achseln. »Keine Ahnung, aber ich denke, es wird das Beste für ihn sein, wenn er in ein schönes Pflegeheim kommt.«
    Um ganz sicherzugehen, frage ich nach: »Und Sie haben nicht darüber nachgedacht, Herbert zu sich zu nehmen?«
    Herrmann schüttelt den Kopf. »Das kann ich gar nicht, wir haben überhaupt keinen Platz, und finanziell geht es uns auch nicht so gut.«
    Ich nehme den Brieföffner und will gerade den Umschlag Nummer 2 öffnen, da dreht sich Stoffel zu seinem Bruder um und sagt: »Herrmann, Stoffel hat Herrmann lieb, ganz lieb«, lehnt seinen Kopf an die Schulter seines Bruders und lächelt ihn an.
    Herrmann schaut auf Stoffel, reibt sich die schweißnassen Hände und sagt mit leiser Stimme: »Ach, wenn ich ihn so anschaue … Ich mein, der hat noch nie jemandem was getan … Vielleicht ist es doch besser, wenn ich ihn mitnehme. Der wird doch todunglücklich, wenn er kein vertrautes Gesicht um sich hat.« Ich nicke, und Herrmann überlegt weiter: »Eigentlich sollte unsere Große ja das eine Zimmer bekommen, aber da kann genauso gut mein Bruder einziehen.«
    Den Umschlag mit der Nummer 2 schiebe ich also wieder beiseite und nehme den anderen. Zwei Sekunden später liegen die vormals darin enthaltenen Unterlagen vor mir auf dem Tisch. Es handelt sich um zwei Policen. Frau Weiß hat zwei Lebensversicherungen abgeschlossen. Eine über 80000 Euro und die andere – selbst ich muss schlucken – über 370000 Euro. Begünstigter ist in beiden Fällen Herrmann. Außerdem befindet sich ein kleinerer Umschlag dabei, auf dem handschriftlich Herrmann steht.
    Ich überreiche Herrmann den Umschlag, und er öffnet ihn. Eine ganze Weile liest er die Zeilen seiner Mutter, dann steckt er den Brief in die Innentasche seines Jacketts, streichelt Stoffel über den Kopf und sagt: »Es ist unglaublich. Meine Mutter hat Tag und Nacht gearbeitet, und ich dachte immer, sie käme mit Stoffel gerade so über die Runden und habe ihr sogar hin und wieder etwas zugesteckt. Jetzt stellt sich heraus, dass sie für Stoffel und mich sogar vorgesorgt hat …«

    Drei Tage später bringen wir den Sarg mit Frau Weiß zum Krematorium. Am Fußende, ganz unten am Sargboden, liegt ein brauner Umschlag und wird mit eingeäschert. Herrmann hat für seine Familie und Stoffel ein Haus gekauft, und man sieht Stoffel heute noch, wie er seine geliebten Autonummern aufschreibt. Wenn ich ihm begegne, muss ich immer an den Umschlag Nummer 2 denken. Es hätte mich schon interessiert, was seine Mutter für den Fall,

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