Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
die jetzt an.«
Während ich den Hörer ans Ohr nehme, schmollen die Herren wieder. Ich muss zugeben, dass sie sehr freundlich und höflich sind, ich vermute mal, die haben sich gestern, als sie die Todesnachricht erhalten haben, zusammengesetzt und das mit dem Einfrieren gemeinsam ausgetüftelt. Dann haben sie es heute Morgen der Witwe beigebracht, und die arme Frau hat ob der männlich-karnevalistischen Übermacht kapituliert. Böse haben sie es nicht gemeint, doch durch meinen Anruf könnte ihr ganzer schöner Plan ins Wanken geraten. Wenn es schlecht läuft, ist die Beerdigung erst nächste Woche, und da hat man eigentlich schon so allerhand an Terminen.
Die Frau meldet sich, ich stelle mich vor, und sie will gleich wissen, wann die Beerdigung ist und wie das denn mit dem Sarg sei, den wolle sie doch selbst aussuchen, und den guten Anzug vom Hugo, den müsse sie doch auch vorbeibringen.
Na, das soll sie dann doch machen, schlage ich vor, und wenn es geht gleich. Ja, das macht sie doch.
Die vier Narhallesen bekommen Kaffee und nutzen die Zeit, mich den üblichen Blödsinn zu fragen, den alle Leute fragen, wenn sie mal in etwas entspannterer Stimmung bei uns sind.
Ob man denn mal probeliegen könne, ob wir Grüne und Müslis auch kompostieren, ob wir eventuell auch die noch lebende, böse Schwiegermutter holen und einäschern können, ob nicht manchmal auch einer wieder aufsteht, ob ich keine Angst im Keller habe, ob wir schon mal einen ganz dicken Mann dabeihatten, ob wir Särge auch zweimal nehmen …
Das Übliche eben.
Kaum eine Viertelstunde später ist die Frau da. Eine kleine, aber sehr resolute Frau, die keineswegs den Eindruck macht, als ließe sie sich von den närrischen Elferräten überrumpeln. Trotzdem bringe ich sie nach nebenan in ein anderes Beratungszimmer, schließe die Tür und will erst mal hören, was sie zu sagen hat.
»Na, hören Sie mal! Wir können den Hugo jetzt nicht beerdigen. Das macht die ganze Kampagne kaputt, das hätte der Hugo auch nicht gewollt.«
Damit hatte ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet.
Nein, sie selbst sei seit dreißig Jahren als Putzfrau »Frau Silberblick« auf der Bühne, und der Karneval sei für sie und ihren Mann immer das Größte gewesen.
Ich hatte erwartet, dass sie jetzt voller Trauer auf einer baldigen Beerdigung beharrt und die Karnevalisten sie eigentlich mehr oder weniger zu einer Verschiebung gedrängt hatten, ich muss aber erkennen, dass das nicht der Fall ist.
Was kann man tun? Einfrieren geht nicht, aber mir fällt eine andere Lösung ein.
»Wir könnten Ihren Mann abholen und ins Krematorium bringen, dort wird er dann eingeäschert, und wann wir die Urnenbeisetzung machen, das ist völlig egal, das kann auch erst in einem oder zwei Monaten sein.«
»So machen wir das! Genau so machen wir das!«
Sie ist offensichtlich sehr erleichtert, und ich denke, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, sie mit den übrigen Karnevalisten zusammenzuführen. Auch die nehmen den Vorschlag mit der späteren Urnenbeisetzung begeistert auf. Der Rest geht zügig, Sarg und Wäsche sind schnell ausgesucht, eine schöne Überurne und damit sind wir auch schon durch. Ich nehme noch die üblichen Daten auf, die Rechnung, so beschließt man kurzerhand, wird zwischen der Frau und dem Verein aufgeteilt. Alles andere, die Terminabsprachen, das mit dem Pfarrer und die Anzeigen und Blumen, das machen wir erst in ein paar Wochen.
»Sie müssen wissen«, sagt der Vorsitzende, »Dutzende von Leuten arbeiten das ganze Jahr auf die paar Tage hin …«
Ich nicke nur, was soll ich auch sagen? Auf der einen Seite kann ich die Karnevalisten ja schon verstehen, auf der anderen Seite gehört das Sterben nun mal zum Leben dazu, und man muss sich damit auseinandersetzen.
Ich denke, wir haben einen guten Kompromiss gefunden.
Halloween
Wenden wir uns den meistgestellten Fragen zu: Haben Sie schon einmal etwas Unheimliches erlebt? Gibt es Gespenster in den Leichenhallen? Ich kann den Leser beruhigen, es gibt keine Gespenster, zumindest nicht nach meiner Erkenntnis. Aber unheimliche Sachen passieren doch hin und wieder.
L etztes Jahr zu Halloween:
Es ist neblig, sehr neblig. Das hatte der Wettermann im Radio ja schon so angekündigt, aber bis zu uns in die Stadt kommt der Nebel ja sowieso nie. Der einzige Nebel, den ich dort in den letzten Jahren erlebt habe, sind die stinkenden Schwaden, die ab und zu aus der Kanalisation emporsteigen.
Wir sind ja Nachtwanderer, Bestatter müssen
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