Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition)

Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition)

Titel: Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Reiter
Vom Netzwerk:
Sache verstand, »braucht schon ein halbes Jahr Probebetrieb, bevor du damit auf Sendung gehen kannst, und du hast sie nicht einmal, du musst sie erst noch bauen.« Das leuchtete mir alles ein, aber sollte meine erste Amtshandlung eine Kapitulation sein? Ich wollte es allen fachmännischen Ratschlägen zum Trotz zumindest probieren. Damals habe ich mich in München gelegentlich mit Gunter Sachs getroffen, meist im »Käfer«, seiner Lieblingskneipe. Ich hatte ihn bei Thomas Gottschalk kennengelernt und war von seiner Bildung, seinem Kunstsachverstand und der unaufdringlichen Art, in der er mit seinem Reichtum und seiner Prominenz umging, beeindruckt. Als ich Sachs von meinen Schwierigkeiten erzählte, klopfte er mir auf die Schulter und meinte lachend: »Du machst das schon. Cowboy, roll east!« Er hat mich später in Leipzig besucht und das MDR-Gelände besichtigt. »Na also«, war sein Kommentar. 2008 hat er im Leipziger Bildermuseum unter dem Titel »Die Kunst ist weiblich …« eine große Ausstellung mit Bildern, Fotografien und Objekten aus seinem Leben veranstaltet.
    Zurück zum MDR, den es noch nicht gab. Beim Personal versuchte ich es mit einer Doppelstrategie. Noch bevor ich selbst eastward rollte, schickte ich Frau Czech, meine Referentin beim BR, als Vorhut nach Leipzig mit dem Auftrag, mir schnellstmöglich eine rollstuhlgeeignete Wohnung zusuchen und die ersten Leute einzustellen, zwei Sekretärinnen, einen Fahrer, einen Assistenten. Sie hat dann Nägel mit Köpfen gemacht und ist mit mir zum MDR gegangen. Ich war MDR-Angestellter Nummer 001, sie 002. Die Anstellungszettel für die ersten Mitarbeiter habe ich mir beim BR »ausgeliehen«. Mit dem Kugelschreiber habe ich die bayerischen Initialen durchgestrichen und in fester Schrift MDR darübergeschrieben. Aber so konnte ich schlecht alle zweitausend Leute einstellen, die nach unseren ersten Berechnungen nötig waren. Ich brauchte dringend, das war der zweite Teil der Personalstrategie, Fachdirektoren für Fernsehen, Hörfunk, Verwaltung, Justiz, Technik und die Landesfunkhäuser, die mir für ihren jeweiligen Bereich die Arbeit abnahmen. Nach Lage der Dinge konnten das nur Leute aus dem Westen sein. Zum einen, weil ich nur dort geeignete Leute kannte, zum andern, weil man nur dort mit den öffentlich-rechtlichen Strukturen vertraut war, die es jetzt aufzubauen galt. Das führte zwangsläufig zu einer Westlastigkeit unserer ersten Führungsspitze, die man uns zu Recht immer wieder vorgeworfen hat. Ich habe sie in den kommenden Jahren systematisch abgebaut. Inzwischen steht mit Karola Wille eine Frau aus dem Osten als Intendantin an der Spitze des Senders.
    Bei der Infrastruktur improvisierten wir. Wo immer ein Kabel aus der Wand kam, ließen wir uns nieder. Am Ende hatten wir in unseren drei Ländern sechsundvierzig verschiedene Standorte. Das Problem war, dass das marode Telefonnetz der DDR zusammengebrochen war. Vor fünf Uhr nachmittags gelang kaum eine Telefonverbindung. Handys gab es noch nicht. Ich hatte ein Feldtelefon in einem größeren Holzkasten, das half aber auch nicht viel. Dieses Kommunikationsdefizit war in unserer Situation, wo es fast stündlich etwas zu entscheiden gab, schon extrem unpraktisch.
    Und dann das Geld. Die Leute, die ich eingestellt hatte, wollten verständlicherweise ein Gehalt. Ich wusste nicht, wie viel man ihnen bezahlen musste
     und vor allem nicht woher. Das »wie viel« löste ich durch ein Kopieren der Gehaltstabellen des Bayerischen Rundfunks. Das »woher« war schwieriger. Es gab
     keinen Etat, keine Finanzabteilung, nicht einmal ein Konto. Ich rief Rudolf Mühlfenzl an, den Rundfunkbeauftragten für die neuen Bundesländer und
     zuständig für die Abwicklung des DDR Rundfunks. Zum Glück kannte ich ihn aus gemeinsamen Tagen beim BR und konnte ihm meine Lage ungeschminkt schildern. »Pass auf«, sagte er, »jetzt gehst du in Leipzig zur Commerzbank und machst erst einmal ein Konto auf. Dann überweis ich dir eine Million aus der Anschubfinazierung.« Das hat mich etwas beruhigt. »Und dann«, fuhr er fort, »brauchst du sofort einen Finanzdirektor. Ich hab da einen guten Mann, denn solltest du dir mal anschauen.« Das habe ich getan und auf diese Weise Rolf Markner kennengelernt, der kurz darauf zum ersten Verwaltungsdirektor des MDR bestellt wurde. Für diesen Tipp war ich Rudi Mühlfenzl besonders dankbar. Aber das Kapitel kommt noch.
    So habe ich die Geschichte mit dem Geld bisher unwidersprochen erzählt,

Weitere Kostenlose Bücher