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Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition)

Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition)

Titel: Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Reiter
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als das Gerücht aufkam, der WDR wolle sie abwerben, habe ich der WDR-Intendatin Monika Piel erklärt, bevor ich sie mir nehmen lasse, würde ich sie eher heiraten. Trotzdem war sie nicht die automatische Nachfolgerin. Es gab Vorbehalte bei den Konservativen, weil sie aus einem linientreuen DDR-Elternhaus kam, einige Jahre mit einem DDR-Militärstaatsanwalt verheiratet war und nach einem Jura-Studium in Leipzig einige Artikel zum Lob der DDR veröffentlicht hatte. Auchsie selbst war in der Nachfolgefrage lange Zeit sehr zurückhaltend. Nicht ohne Grund hatte sie die Sorge, dass die Enthüllungsjournalisten vom Schlag eines Uwe Müller diese Vergangenheit ausgraben und gegen sie ins Feld führen würden. So schien es auf Hilder zuzulaufen, und er wäre es wohl auch geworden, wenn nicht eine machtbewusste Staatskanzlei sich dermaßen robust für ihn eingesetzt hätte, dass es den Rundfunkräten zu viel wurde. Je mehr man, sagen wir, auf sie zuging, desto stärker wurde ihr Widerstand. Am Ende baute sich eine Stimmung auf, die fast an 1989 erinnerte: Wir sind das Volk, wir lassen uns nichts befehlen (und schon gar nicht von Wessis einen Wessi vorsetzen). In der entscheidenden Abstimmung im Rundfunkrat ließ man Hilder in einer Deutlichkeit abfahren, die mit seiner Person nichts mehr zu tun hatte. Das war ein politisches Signal, das war Widerstand. Damit war natürlich das Rennen für Karola Wille gelaufen. In seiner nächsten Sitzung wählte sie der Rundfunkrat mit großer Mehrheit an die Spitze des MDR. Ich konnte in Rente gehen.

»Wir alle fallen. Diese Hand da fällt«
    Kurz bevor ich mich vom MDR zurückzog, starb meine Frau. Ich habe das erste Mal in meinem Leben sterben aus der Nähe erlebt. Sie hatte seit einigen Jahren Krebs. Erst der Darm, später kam die Leber dazu, dann die Milz und schließlich die Lunge. Sie hat die tödliche Diagnose und die qualvollen Behandlungen, Operationen, Chemotherapien, mit einer bewundernswerten Haltung ertragen. Offen, gefasst, ohne jede Weinerlichkeit, auch in ihrem letzten Jahr, als der Zugriff des Todes schon zu spüren war. Mit ihren ehemaligen Lehrerkollegen hat sie, so gut es ging, noch einige Reisen gemacht, die letzte in unseren Geburtsort,nach Lindau. Meine Tochter hat sich in den letzen Lebensmonaten rührend um ihre Mutter gekümmert. Obwohl sie am Abschluss ihres Studiums in der Prüfungsphase war, ist in das Haus nach Rottbach gezogen und hat sie umsorgt.
    Ich war zeitlebens ein schlechter Ehemann und Familienvater, aber in den letzten Wochen habe ich versucht, sie zu sehen und bei ihr zu sein, sooft es ging, erst zu Hause in Rottbach, dann im Krankenhaus in Fürstenfeldbruck. Ich hatte mir das Sterben nicht so schrecklich vorgestellt. Dieser grausame Zerfall eines Menschen, seines Körpers und seiner Persönlichkeit. Diese Selbstauflösung und dieses Fremdwerden. Wie reagiert man darauf? Soll ich so tun, als sei nichts, und in gespielter Normalität über das Grauen hinwegplaudern? Soll ich es ansprechen und Mitgefühl zeigen? Soll ich mit ihr über ihren bevorstehenden Tod reden oder besser nicht? Ich habe nicht viel gesagt, aber ihre Hand gehalten. Am Ende wurde ihr Zustand von Tag zu Tag schlimmer. Ihr Atmen wurde pfeifend und röchelnd, der Blick kam aus schwarzen fremden Augen. Nahm sie mich noch wahr, oder war sie schon weit weg? Zwischendurch bäumte sie sich auf und machte fahrige Bewegungen, die ich nicht zu deuten wusste. Ich war hilflos. Hatte dieser fürchterliche Todeskampf irgendeinen Sinn? Neben dem Bett stand eine Maschine, mit der die Morphiumzuteilung geregelt wurde. Würde ich ihr nicht helfen, wenn ich den Regler einfach etwas nach oben schob? Ich war kurz davor, habe dann aber eine merkwürdige Scheu nicht überwinden können.
    Am 7. Oktober 2011 um fünf Uhr morgens hat sie zu atmen aufgehört. Wir haben sie auf dem Dorffriedhof in Rottbach beerdigt. Viele ihrer ehemaligen Schüler und fast das ganze Lehrerkollegium waren dabei und haben ihr, ja, auch wenn es eine Floskel ist, die letzte Ehre erwiesen. Der Pfarrerhat neben der Bibel Rilke zitiert: »Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. / Und sieh dir andre an: / es ist in allen, / Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen / unendlich sanft in seinen Händen hält.« Hoffentlich hat er recht.
    Mich hat dieses Todeserlebnis veranlasst, mich eingehender mit der Problematik des Sterbens zu befassen. Beim Bayerischen Rundfunk hatte ich einst eine große Sendung darüber gemacht. Aus meiner

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