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Gestern fängt das Leben an

Gestern fängt das Leben an

Titel: Gestern fängt das Leben an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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allen. Und plötzlich nagt eine böse Ahnung an mir: Sie ist damals nicht einfach auf einem Highway bei Los Angeles am Steuer eingeschlafen. Dafür war Meg immer viel zu aufmerksam. Ihr Unfall hatte damals im Grunde für niemanden, der sie gut kannte, wirklich einen Sinn ergeben. Aber jetzt tut er es. Weil ich die Verzweiflung in ihrer Stimme hören kann. Die Bedrohung, die es für sie bedeuten würde, wennsie wirklich keine Mutter werden kann. Damals wurde aus Frust allmählich Verzweiflung und schließlich eine tiefe Depression. Und irgendwann hatte Megan jede Hoffnung aufgegeben. Sie entschied sich, lieber aus dem Leben zu scheiden, als einen neuen Sinn darin zu suchen.
    Doch jetzt hat sie die Chance, all das zu ändern.
    Wir schweigen lange. Das Piepen der Monitore ist der konstante Beweis dafür, dass sie tatsächlich lebt und dass sie darum kämpft, weiterzumachen.
    Ich halte ihre Hand umklammert und hoffe, dass ich diesmal mehr als nur Zerstörung anrichte. Dass das veränderte Schicksal Leben und Hoffnung bringt.

27
    Die Tage dehnen sich zu Wochen, und ich fange an, die kleinen Nuancen zu vergessen, ohne die ich einst nicht leben konnte: der kleine Speckring um Katies Hals, die Art, wie sie die Arme um mich schlang, ihre warmen Füßchen, die ich morgens immer küsste, wenn sie gerade aufgewacht war.
    Während sich mein Griff um diese Details langsam lockert, beginne ich mich zu fragen, ob ich mir diese Zukunft nicht nur eingebildet habe. Als wären Katie und mein Leben mit Henry (und die Unzufriedenheit, die damit einherging) nichts weiter als ein flüchtiger Blick auf das, was sein könnte. Ist es das, was mich erwartet, wenn ich nicht mit Jack vor den Altar trete?
    Wir haben Mitte Januar, und Jack schläft bereits tief und fest neben mir. Ich dagegen werfe mich noch unruhig im Bett hin und her und kann nicht einschlafen. Bis ich schließlich wieder aufstehe, mich anziehe und nochmal rausgehe, in die kalte Nachtluft.
    Die Straßen sind so gut wie ausgestorben, für New York selbst um diese späte Uhrzeit absolut ungewöhnlich. Aber die eisigen Temperaturen haben alle ins Warme getrieben, und bis auf den einen oder anderen Hundebesitzer, der ungeduldig darauf wartet, dass sein Tier sich endlich erleichtert, ist niemand mehr unterwegs. Die einsamen Straßenlaternen sind meine einzigen Begleiter.
    Da ich meine Handschuhe vergessen habe, verliere ichschnell jedes Gefühl in den Händen und flüchte mich in einen dieser Drugstores, die rund um die Uhr geöffnet haben.
    Von der Decke strahlen Neonröhren. Fahrstuhlmusik soll die ungemütliche Atmosphäre dämpfen. Ich gehe durch die Regalreihen in den hinteren Teil und knete meine Finger, um sie wieder zum Leben zu erwecken. Erst dann merke ich, wo ich gelandet bin: Ich stehe direkt vor den Babyartikeln.
    Mit tauben Fingern nehme ich eine Lotion aus dem Regal, mit der ich Katie immer eingecremt habe. Ich öffne den Deckel und atme tief ein. Der Duft nach Lavendel überfällt mich förmlich, und mit einem Mal dreht sich mir so schnell der Kopf, dass ich mich am Regal festhalten muss.
    Plötzlich sind all meine Erinnerungen wieder da: Wie ich Katie jeden Abend nach dem Waschen eingecremt habe, ihr die Haare trocken gerubbelt und mit ihr gekichert habe, wenn sie sich geschüttelt hat wie ein junger Hund. Ich erinnere mich daran, wie ich sie in ihren Schlafanzug gesteckt habe, ihr vorgelesen und sie dabei so nah an mich gezogen habe, dass der Duft nach Lavendel,
dieser Duft
, den ganzen Abend an meinem Hals haften blieb und mir auch in der Nacht noch in die Nase stieg.
    Nein, sie ist keine Einbildung
, denke ich, als ich endlich wieder ruhig atme.
Sie ist genauso real wie die Lotion in meiner Hand. Sie ist so real wie ich, wie sie es für mich sein muss.
    Nur dass ich in meiner Zeitfalle gefangen bin und sich meine Zukunft so verändert hat, dass ich nicht mehr weiß, wie ich Katie zurückkriegen kann.
    ***
    Josie sitzt in meinem Büro und geht ihre beruflichen Kontakte mit mir durch, denn bald sollen es meine Kontakte sein. In drei Wochen hat sie ihren letzten Tag. Um nicht gestört zu werden, habe ich meine Mailbox ein- und die Gegensprechanlage ausgeschaltet.
    Deshalb kommt der Besuch von Leigh und Allie für uns beide auch ganz unerwartet. Meine zukünftige Nichte springt leichtfüßig über die zahlreichen Papierstapel und Pappschachteln, die sich auf dem Fußboden türmen, und umarmt mich stürmisch.
    Leigh zieht ihre Tochter zurück. «Ich weiß, wir stören

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