Gestern fängt das Leben an
seiner gefunden. Den meisten Paaren gelingt das irgendwann. Die meisten Paare akklimatisieren sich, und nach dem ersten Jahr der Beziehung geht der Pünktliche später los und andersherum. Aber bei Henry und mir, tja, bei uns haben sich die Uhrwerke eben nie synchronisiert.
Etwas nervös sitze ich in einer dunkelgestrichenen Nische, und meine Finger klopfen im Takt auf dem zitronengelben Tisch zu dem Saxophon im Hintergrund, als ich den Blick hebe und Jack auf mich zukommen sehe.
«Hey!», sagt er freudig, beugt sich zu mir herunter und berührt mit seinen Lippen flüchtig meinen Mund. Seine Krawatte streift dabei über den Tisch. Mit gefurchten Augenbrauen sieht er mich forschend an. «Wie fühlst du dich? Du siehst …» Er neigt den Kopf nach rechts und überlegt. «Du siehst anders aus. Hast du was mit deinen Haaren gemacht?»
Ich rutsche ein Stück, um ihm Platz zu machen, und er lässt sich neben mich auf die glänzend rot gepolsterte Lederbank gleiten. Statt zu antworten, sehe ich ihn ungläubig an.
Jack! Mein Traummann!
Am liebsten würde ichihn an den Schultern packen und schütteln, um mich zu vergewissern, dass er echt ist. Ich lege meine Hand auf seine.
«Nein», sage ich. «Ich habe nichts mit meinen Haaren gemacht.» Ich lächle. «Ich freue mich nur, dich zu sehen.»
Er verzieht das Gesicht, als hätte ich eben behauptet, die Welt wäre eine Scheibe.
«Außerdem geht es mir schon besser», füge ich schnell hinzu, um ihn zu beruhigen. «Viel besser, also mach dir keine Sorgen. Vielleicht hab ich einfach mal einen Tag Ruhe gebraucht.»
«Ja, vielleicht», murmelt er zweifelnd, zieht seine Hand unter meiner hervor und nimmt eine Speisekarte vom Tisch.
Wenn ich unbeschwerter wirke als heute Morgen, dann liegt es vielleicht daran, wie ich den restlichen Tag verbracht habe. Nachdem das Taxi mich wieder vor unserer Wohnung abgesetzt hatte, wurde mir allmählich klar, dass es wirklich kein Zurück gab. Es handelte sich hier nicht um einen schlechten Scherz oder um einen verrückten Traum. Ich ließ mich auf unsere Couch fallen und versuchte, ruhig zu atmen – ein und aus, ein und aus … Und dann traf ich eine Entscheidung.
Eine Entscheidung, die sich am Anfang zwar noch ziemlich wacklig anfühlte, die mir aber schließlich Mut machte und der ich schwor, treu zu bleiben:
Dies ist meine zweite Chance, es ist genau das, was ich mir so inbrünstig erhofft hatte.
Anstatt davonzulaufen, entschied ich mich, mein neues (altes) Leben mit offenen Armen anzunehmen. Ganz abgesehen davon, dass ich sowieso keine andere Möglichkeit gehabt hätte.
Als ich diese Entscheidung einmal getroffen hatte, suchte ich sofort meine Telefonnummer in der Agentur heraus, die sich meinem Gedächtnis auch gleich wieder einprägte. Wie hatte ich sie je vergessen können?
Bis zu dem Tag, als Jack und ich nach Westchester zogen, war mein Büro der Bereich in meinem Leben, an dem ich mich hundertprozentig wohl in meiner Haut fühlte. Es gab keinerlei Hinweise auf meine Rabenmutter, keine Anzeichen dafür, dass ich in einer erstarrten Beziehung feststeckte und Jack vielleicht einen Tick zu sehr an seiner Mutter hing. In meinem Büro kam ich zu mir selbst. Ich lebte von den kreativen Höhenflügen und von dem Zusammenhalt eines Teams, das mit Vollgas an einer neuen Werbekampagne strickte.
Als ich meine Situation also endlich etwas klarer sah, rief ich Gene zurück und versprach, morgen rechtzeitig zu dem Meeting mit den Coca-Cola-Leuten wieder in der Agentur zu sein. Diesmal würde ich die vierundzwanzig Stunden vor dem Termin – anstatt wie in meinem letzten Leben in irrsinniger Hektik auf der Suche nach dem einen bahnbrechenden, weltverändernden Slogan – damit verbringen, alte E-Mails zu lesen, Fotos anzuschauen und mich wieder mit meinem früheren Leben vertraut zu machen. Ein Leben, das durch eine weise, lang getragene Brille betrachtet eigentlich gar nicht so schlecht aussah. Außerdem hatte ich den perfekten Slogan für Coca-Cola schon in der Tasche. Der Spruch sollte meiner Karriere den ultimativen Kick verpassen und sie in eine Richtung führen, die ich selbst nie für möglich gehalten hätte. Ein Aufstieg, der erst in dem Augenblick endete, als Henrys Sperma mit meiner Eizelle kollidierte und wir unserewunderbare Katie produzierten. Für Katie würde ich buchstäblich alles aufgeben.
«Huhu!»
Ich schüttele die Gedanken von mir ab, hebe den Blick und sehe, dass Megan vor unserem Tisch
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