Gestern fängt das Leben an
gut.»
«Ja. Finde ich auch.» Ich grinse. Vielleicht bleibt er mir ja dieses Mal wirklich erhalten.
***
«Und wie wär’s mit dem hier?» Megan hält ein rot-weiß-blaues Kleid mit Empire-Taille hoch, das eher auf eine Feier zum amerikanischen Unabhängigkeitstag gepasst hätte als auf ein Galadiner bei Kerzenschein mit Swingband und livrierten Kellnern, die exquisite Häppchen reichen.
Ich verziehe das Gesicht, als hätte ich in eine Zitrone gebissen und schüttle den Kopf. Irgendwie habe ich mich immer noch nicht wieder an die Mode von vor sieben Jahren gewöhnt.
2007 trug ich gern dunkelblaue Jeans, Leinenblusen oderflorale Sommerkleidchen. Jeden Morgen griff ich in die Tiefen meines Kleiderschranks und versuchte, mir etwas Passendes zusammenzusuchen. «Es ist ihr Look, der die Frau kreiert», sagte ich mir, wenn ich mich voller Abneigung gegen das tägliche Allerlei und die vollgeschissenen Windeln und die Supermuttis in den Krabbelgruppen aus dem Bett hievte.
Also zog ich das leuchtend rosa-grün gestreifte Tanktop heraus und die dazu passende Khaki-Hose, schlüpfte in dunkelbraune Ledersandalen, band die blondgesträhnten Haare tief im Nacken zu einem ordentlichen Pferdeschwanz zurück und legte einen Hauch von Rouge auf die Wangen. Abschließend musterte ich mich im Spiegel und versicherte mir, dass die Frau im Spiegel ich war: die perfekte Mutti. Dann ging ich hinunter, um Katie aus dem Bettchen zu holen und einen weiteren Tag als Hausfrau und Mutter zu begrüßen.
«Ach, komm schon, Jill!», jammert Megan. «Ich hätte nie gedacht, dass ich so was mal sagen würde: Aber ich habe die Nase voll vom Shoppen. Wir suchen jetzt schon über zwei Stunden, und es hat dir noch überhaupt nichts gefallen.»
Ist es etwa meine Schuld, dass die Designer im Jahr
2000
die Achtziger kopieren? Diese Muster könnten eher als Vorhang bei mir in Westchester hängen! Und bei diesen Schulterpolstern erblasst jeder Football-Spieler vor Neid!
«Hier!», sage ich und ziehe von ganz hinten ein silbernes, trägerloses Cocktailkleid hervor. «Das tut’s vielleicht.»
«Na endlich», seufzt Megan und lässt sich in einen beigefarbenen Ledersessel plumpsen, den man vermutlich für erschöpfte Ehemänner bereitgestellt hat.
Ehe ich in die Kabine verschwinde, halte ich einen Moment inne und sehe sie an. Ihre Fehlgeburt liegt fast einen Monat zurück, und Meg wirkt lebhaft, richtig gesund sogar. Beim letzten Mal hatte ich nicht genau hingesehen. Die Beziehung von Jack und mir drohte sich aufzulösen wie ein Wollknäuel, bei dem jemand am Faden gezogen hat. Das Coke-Projekt verschlang sämtliche Freizeit, und ich hatte wieder angefangen, von meiner Mutter zu träumen. So ging Meg damals im Getümmel irgendwie unter. Und das so lautlos und unspektakulär, wie es nun mal ist, wenn das Leben sich immer höher auftürmt. Vielleicht erwischt man die Freundin mal für zwei Minuten auf dem Handy, dann verspricht man einander, nachher in Ruhe zu telefonieren, aber aus dem «nachher» wird morgen, und morgen streckt sich schließlich zu einer ganzen Woche. Und ehe es einem richtig bewusst wird, verstreicht ein ganzer Monat, und zwei Welten haben sich getrennt. Was nicht bedeutet, dass man einander nicht immer noch furchtbar gern hat und sich für den anderen interessiert. Aber während dieser Zeit wird man blind für die kleinen Nuancen, die einen Menschen im Laufe der Zeit verändern, die Nuancen, die sich wie Dominosteine aufeinanderstapeln, bis der Andere plötzlich ein ganz anderer Mensch geworden ist.
Dieses Mal habe ich mir geschworen, Megan wirklich im Auge zu behalten und sie vor der Spirale zu bewahren, die sie ins Bodenlose hinunterziehen würde.
Nachdem ich meinen nackten Körper im Spiegel der Umkleidekabine bewundert habe (keine Schwangerschaftsstreifen! Kein Wackelpudding am Hintern!) und mir das silberne Kleid einpacken ließ (zwei Nummern kleiner!), lade ich Megan auf einen Kaffee ein.
«Was macht die Arbeit?», frage ich und rühre in meiner Tasse.
«Ach», sagt sie. «Eigentlich geht das alles an mir vorbei.» Meg ist Partnerin bei Bartlett & Jones, eine der Top-Anwaltskanzleien der Stadt, wo vor allem die jüngeren Anwälte behandelt werden wie Schweine im Schlachthaus. Man hetzt sie durch die Gänge, nimmt sie sich schließlich vor und lässt ihnen keine Chance, da jemals lebend wieder rauszukommen.
«So schlimm?», frage ich. Megan hatte nie Anwältin werden wollen und nur Jura studiert, weil ihr nichts anderes
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