Gestern fängt das Leben an
nachzugeben.
Nachdem wir zwei Jahre verheiratet waren, drängte erdarauf, die Pille abzusetzen. Und obwohl wir es nicht exakt darauf anlegten, seine Spermien auf das nächste fruchtbare Ei zu steuern, war ich drei Monate später schwanger. Neun Monate darauf änderte sich mein Leben in jeder nur vorstellbaren (und unvorstellbaren) Weise.
Während der Schwangerschaft las ich jedes noch so kleine Fitzelchen zum Thema. Welches Buch, welchen Artikel, welche Website oder welche Broschüre es über den Reifeprozess auch geben mochte (Zehnte Woche im Mutterleib: Die Fingernägel entwickeln sich! Achtzehnte Woche: Ihr Kind fängt an, am Daumen zu lutschen!), ich verschlang alles. Und nachdem ich Katie unter Schmerzen geboren hatte, abonnierte ich alles, was der Markt zu bieten hatte:
Eltern, Elternschaft, Familie & Ich, Baby & Co, American Baby, Mothers and Babies, Babies and Mothers.
Unser Briefkasten war vollgestopft mit Zeitschriften. In meiner Unsicherheit prägte ich mir viel mehr ein als nur die dem Alter angemessenen Tipps oder Entwicklungsstufen («Wie Sie Ihr Baby an Fun Food gewöhnen!»). Nein, ich las bereits früh die Artikel für Mütter von Achtjährigen, für geschiedene Väter, die ihre Kinder nur an den Wochenenden sehen, für Adoptivmütter, die sich Sorgen um die Bindungsentwicklung ihrer neuen afrikanischen Kinder machen … Ich stürzte mich förmlich auf die Artikel, heißhungrig, denn was hatte ich sonst schon groß zu tun (der Pilates-Kurs traf sich nur dreimal in der Woche). Ich las sie in der verzweifelten Hoffnung, dass es bei Katie anders laufen würde als bei mir. Oder anders ausgedrückt: dass ich anders werden würde als meine eigene Mutter.
Und genau deswegen bin ich mit der Zeit auch Expertin für Zauberei geworden. Man muss nur genügend Zeitschriftenlesen, dann kann man so gut wie alles lernen. Denn unweigerlich tauchen auch Artikel darüber auf, wie man Kaninchen aus dem Hut zaubert, Münzen hinter den Ohren der Kleinen hervorholt und die perfekte Geburtstagsparty aus dem Ärmel zieht, als würde das beweisen, dass man die beste Mutti der Welt sei.
«Es war sexy», sagt Jack und lässt seine Finger langsam unter meinen Bademantel wandern. «Echt, es war unglaublich sexy, dich mit den Kindern zu sehen.»
«Ja, da musste sogar deine Mutter grinsen.» Er küsst meinen Hals, und ich kichere. «Zwar war es noch kein echtes Lächeln, aber wenigstens ein zahnloses Grinsen.»
«Fang jetzt bitte nicht damit an», grunzt er, und sein Mund arbeitet sich an meinem Schlüsselbein entlang. «Also, Frau Zaubermeisterin, wie wär’s? Zeigst du mir ein paar von deinen neuen Tricks?»
«Wie wär’s, wenn du mir erst ein paar von deinen zeigst?»
«Mit Vergnügen», säuselt er und beugt sich vor, um mir den Gürtel des Bademantels aufzumachen.
Ich schließe die Augen, seufze wohlig und versuche, mich daran zu erinnern, weshalb ich überhaupt je von diesem Zug abgesprungen bin. Plötzlich scheinen mir diese winzig kleinen Zugeständnisse (seine Mutter mit Zaubertricks zu besänftigen oder einen Streit um Nichtigkeiten zu vermeiden) nicht mehr so weltbewegend. Beim letzten Mal habe ich von Jack verlangt, sich zu ändern; dieses Mal erscheint es mir viel einfacher, wenn ich die Veränderungen einfach selbst herbeiführe.
Eigentlich ist es gar keine so große Sache,
denke ich.
Nein, diese Kompromisse sind wirklich keine große Sache.
Jack zieht mir den Bademantel aus. Und ehe ich den Verstand ausknipse, sage ich mir noch, dass ich jetzt hier bin, um neue Erinnerungen zu gestalten und um eine neue Zukunft mit Jack aufzubauen.
7
«Das ist für dich gekommen.»
Beim Klang von Josies Stimme hebe ich den Blick von der Lupe, mit der ich mich über die Storyboards gebeugt habe. Ihr Kopf ist durch einen überdimensionalen Geschenkkorb ersetzt worden.
«Oh, Süßigkeiten!» Ich lege die Lupe weg und reibe mir die Hände. «Was ist drin?»
Das Monster landet mit einem derart dumpfen Schlag auf meinem Schreibtisch, dass der Becher mit Stiften wackelt.
«Tja, du hast es geschafft», sagt Josie, macht es sich auf einem Stuhl bequem und schüttelt die Arme aus. «Das hier ist die offizielle Einladung zum alljährlichen
Coke Friends & Family Event
. Was hauptsächlich bedeutet, dass sie all ihre Investoren ins
Cipriani
einladen und sich Spirituosen allererster Güte die Kehlen runterlaufen lassen, um zu beweisen, dass ihr Geld gut angelegt ist.»
«Bist du schon mal dabei gewesen?», frage ich und mache
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