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Gestern fängt das Leben an

Gestern fängt das Leben an

Titel: Gestern fängt das Leben an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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mich daran, unzählige Lagen rosaroter Cellophanfolie aufzureißen.
    «Vor fünf Jahren», antwortet sie. «Ehe sie zu BBDO gegangen sind. Die Veranstaltung ist legendär. Außerdem wird mit den Einladungen ziemlich gegeizt. Als ich eine bekommen habe, war ich schon Geschäftsführerin.»
    Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und versuche, ins Innere meines tanklastgroßen Geschenks zu spähen.
    «Das bedeutet», fährt Josie fort, «du hast es geschafft. Wie ich dir prophezeit habe. Du hast dieser Kampagne echt Feuer unterm Hintern gemacht.»
    «Danke», sage ich achselzuckend.
    Josie schiebt sich eine lose Strähne hinters Ohr. «Du hattest alles ziemlich gut im Griff, und nur, damit du’s weißt: Ich habe dich zur Beförderung vorgeschlagen.»
    Ich sehe sie an und lächle irritiert.
    Sie lächelt zurück. «Jetzt im Ernst, Jill, in ein paar Jahren könntest du auf meinem Stuhl sitzen.»
    Plötzlich schlägt mir das Herz bis zum Hals. Panik steigt in mir hoch. Bei mir ist keine Beförderung vorgesehen! Bei mir ist vorgesehen, dass ich gemütlich auf diesem Level weiter vor mich hin bummle, bis ich Henry kennenlerne und irgendwann kündige, wenn mein Bauch schon so weit gewachsen ist, dass die Arbeit zu mühselig wird.
    Aber jetzt ist alles anders
, ermahne ich mich und atme mehrfach tief ein und aus.
Meine Zukunft ist das, was ich daraus mache! Und wer sagt denn, dass ich das Leben von Josie führen muss: Ein Leben, bei dem man das Gefühl hat, jeden Morgen bei Morgengrauen die Hälfte von sich selbst aufzugeben, wenn man seine Kinder zum Abschied küsst, und dann abends die andere Hälfte, wenn man bei Sonnenuntergang den PC runterfährt und auf dem Sofa in Tiefschlaf fällt, während der eigene Mann sich neben einem durchs Abendprogramm zappt.
    Ihr Leben muss nicht meines sein
, sage ich mir.
Mein Leben, mein neues Leben, ist noch nicht festgeschrieben.
    «Das ist wunderbar, Josie, vielen Dank!» Meine Stimme ist voller Dankbarkeit. Ich strecke den Arm in den Korb, um die Beute ans Licht zu bringen – und stutze.
    «Was? Es gibt tatsächlich Geleebohnen mit Colageschmack? Und Coca-Cola-Lakritze?»
    «Ja, klar, du würdest dich wundern. Meine Tochter lebt von dem Zeug.»
    Ich probiere vorsichtig. Es schmeckt wie Cola mit sechsfacher Zuckerdosis. Und plötzlich fällt mir ein, wann ich das letzte Mal Geleebohnen gegessen habe: Ostern, vor ein paar Monaten, als Katie mit fünfzehn Monaten beim Laufen endlich nicht mehr schwankte wie ein betrunkener Matrose. Sie jagte durch den Garten meines Vaters mit jenem grenzenlosen Mut, der das Kleinkindstadium ausmacht, ehe man alt genug ist, um zu wissen, dass Hinfallen wehtut, und dass man beim Stolpern Wunden bekommt, die tagelang schmerzen.
    Ich hatte den Vorabend damit verbracht, hartgekochte Eier in den verschiedensten Schattierungen von Lavendel, Rosarot, Gelb und Babyblau zu färben. (Ein Tipp aus
Eltern
.) Wir wollten Ostern mit meinem Vater und Linda – seiner Freundin seit fast zehn Jahren, die zu heiraten er sich standhaft weigert – feiern. Von meinem Aussichtspunkt auf der Veranda konnte ich Henry und Katie beim Eiersuchen zusehen. Nach vier Minuten, höchstens fünf, hatte sie allerdings bereits das Interesse verloren. Linda kam mit einer prallgefüllten Tüte Süßigkeiten zu mir, und obwohl mein Trainer im Fitnesscenter mich von raffiniertem Zucker hatte abschwören lassen, griff ich beherzt in die Jelly Bellys. Ich warf mir fünf (nur zweiundzwanzig Kalorien, rechnete ich mir vor!) in den Mund und schwelgte in dem herbsauren Geschmack und dem leicht knusprigen Gefühl, das sich einstellt, wenn man granulierten Zucker zwischen den Backenzähnen zermahlt.
    «Die sind gar nicht übel», sage ich zu Josie. «Ich esse dieses Zeug sonst nie.»
    «Genauso wenig wie ich!» Sie lacht und zwinkert mir zu. «Und nachher treffen wir uns dann ganz zufällig wieder am Süßigkeitenautomaten und kloppen uns um die Gummischlangen.»
    Stimmt, ehe Katie mir zu Rettungsringen und acht störrischen Pfunden verholfen hatte, die trotz tugendsamer täglicher Schufterei am Cross-Trainer und mit Hanteln (ein Tipp aus
Self
) nicht verschwanden, hatte ich Zucker missbraucht wie andere Leute Crack. Aber bei der Erinnerung an das letzte Ostern wird mir ganz flau.
    «Ach!» Josie reißt mich aus meinen Gedanken und dreht sich nochmal um, bevor sie aus der Tür verschwindet. «Für den Event solltest du dir was Neues zum Anziehen kaufen. Und nimm deinen Freund mit. Er macht sich

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