Gestern fängt das Leben an
einfiel.
«Berge von Akten und Kleingedrucktes.» Sie verdreht die Augen und platzt dann mit einer Neuigkeit heraus: «Tyler und ich wollen es nochmal versuchen.»
«Hat deine Ärztin dir grünes Licht gegeben?» Ich versuche, meiner Stimme einen aufmunternden Klang zu geben, um den Schrecken über ihre Ankündigung zu verbergen.
Sie nickt und beißt von ihrer Rosinenschnecke ab.
«Fühlst du dich denn schon bereit dazu?» Ich zögere. «Nicht körperlich. Ich meine emotional.»
«Du hörst dich an wie meine Gynäkologin.» Sie lacht, aber es klingt irgendwie freudlos. «Sie hat gesagt, wir können es versuchen, sobald ich das erste Mal wieder meine Periode hatte. Und dass ich mir aber noch etwas mehr Zeit lassen sollte, um den Verlust zu verarbeiten.»
«Siehst du das anders?» Ich hebe den Kaffeebecher an die Lippen und muss aufpassen, mir den heißen Kaffee nicht über die Finger zu schütten. Über den Rand hinweg sehe ich sie eindringlich an.
«Keine Ahnung.» Sie zuckt die Achseln. «Aber wozu aufschieben? Was hätte das für einen Sinn? Je länger wir warten, desto länger dauert es, bis ich wieder schwanger bin.» Sie macht ein trauriges Gesicht, und ich weiß nicht, was ich sagen soll, also sage ich gar nichts.
«Weißt du, was komisch ist, Jillian?», fragt sie, aber es ist eher eine rhetorische Frage. «Sein Leben lang versucht man mit allen Mitteln, nicht schwanger zu werden. Ich meine, ich habe mit sechzehn angefangen, die Pille zu nehmen! Elf blöde Jahre schlucke ich die Dinger, ehe ich sie letztes Jahr abgesetzt habe. Also, da verbringt man sein ganzes Leben damit, dieses eine Ereignis zu verhindern – mit Kondomen, mit der Pille, mit Gel, mit Cremes, mit was auch immer – und dann … Dann passiert: nichts! Es stellt sich heraus, dass es gar nicht so einfach ist, überhaupt schwanger zu werden!»
«In der Highschool war ich mal überzeugt davon, schwanger zu sein», sage ich. «Damals, mit Daniel … Gott, erinnerst du dich noch an ihn? Habe ich dir doch bestimmt erzählt. Wie das Kondom gerissen ist und ich mit der Regel mehrere Tage überfällig war und völlig ausgeflippt bin?» Ich verstumme. Keine Ahnung, weshalb ich diese Geschichte jetzt erzähle. Aber ich muss an Daniel denken, an seine schwarzen Locken und die rosigen Wangen und wie wir Schluss gemacht haben, kurz nachdem ich meine Tage doch bekommen hatte. Danach sind wir uns manchmal auf dem Flur über den Weg gelaufen, und jedes Mal entstand eine peinliche Situation, und man fragte sich, ob der andere nicht Schluss gemacht hat, weil man nicht gut küssen konnte oder zu kleine Brüste hatte.
«O Gott, ja, ich erinnere mich noch.» Megan kommtin Fahrt. «Ich weiß nicht, wie oft ich dachte, ich wäre schwanger. Wie oft ich auf dem Klo geheult habe, weil ich meine Tage nicht bekommen habe oder weil ich vergessen hatte, meine Pille pünktlich zu nehmen. Weißt du noch, wie die einem das in der Packungsbeilage immer eingebläut haben?» Sie unterbricht sich, um Luft zu holen. «Und Himmel, ich weiß noch, wie viel Schiss ich davor hatte, schwanger zu werden. Was soll man schon machen, wenn man mit achtzehn Mutter wird? Oder mit zwanzig? Und jetzt bin ich achtundzwanzig und kann verdammt nochmal nicht schwanger werden! Und wenn doch, dann verliere ich das Baby!»
Ich habe das Gefühl, sie fängt gleich an zu weinen, aber Meg hebt den Kopf und grinst mich wehmütig an. «Wenn ich gewusst hätte, wie schwer es ist, schwanger zu werden, hätte ich viel mehr Sex gehabt!»
Ich pruste einen Schluck Kaffee aus und nicke lachend. Dann hebe ich die Tasse. «Auf mehr Sex», sage ich, und überraschenderweise habe ich auf einmal die Stimme von Mrs. Kwon aus der Reinigung im Ohr.
«Auf mehr Sex!», antwortet Meg und stößt mit ihrer Tasse gegen meine.
«Und auf ein Kind», sage ich in der glühenden Hoffnung, dass Meg diesmal mehr Glück beschert ist.
«Auf ein Kind!», wiederholt sie. «Auf Kinder für uns beide. Und auf all das, was diese Kinder uns bringen mögen!» Sie registriert den Schrecken in meinem Blick und fügt hinzu: «Nicht jetzt!» Lachend winkt sie ab. «Aber irgendwann mal, in der Zukunft. Auf die Kinder in unserer Zukunft.»
«Darauf trinke ich», sage ich. «Auf die Kinder in unserer Zukunft!»
Doch plötzlich schnürt es mir die Brust zusammen, als hätte jemand einen eisernen Ring um mein Herz gelegt.
Katie,
denke ich.
Katie!
Das Kind in meiner Zukunft. Was wird mit Katie passieren, wo meine Zukunft nur
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