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Gestern fängt das Leben an

Gestern fängt das Leben an

Titel: Gestern fängt das Leben an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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würden dich darauf trimmen, die nächste große Nummer zu werden.»
    «Oh, là, là!», sage ich und schnippe mir ein Jelly Belly mit Colageschmack in den Mund. «Klingt ja schick.»
    «Wenn es also nicht die Arbeit ist, was drückt dich dann?», will er wissen.
    Ich seufze. «Ach, ich habe heute Morgen   …» Ich weiß nicht genau, wie ich es definieren soll. «Ich habe heute Morgen im Bus einen Ex gesehen, das ist alles. Hat mich wahrscheinlich ein bisschen aus dem Gleichgewicht gebracht.»
    «Aha, kapiert. Ein bisschen nervös, ein bisschen schwindelig, die Schiene, oder?»
    Ich nicke, und mir wird schon allein bei dem Gedanken an Henry wieder ganz mulmig zumute.
    «Tja, vielleicht hat es was zu bedeuten, und vielleicht auch nicht», sagt er zweideutig. «Wie laufen denn die Dinge mit deinem momentanen Typen?»
    «Gut», sage ich mit fester Stimme, weil es so ist.
    Und tatsächlich läuft es mit Jack viel runder und besser als in meiner Erinnerung. Im Gegensatz zu meinem Leben mit Henry gibt es zwischen uns keine nervigen Erwartungen: Niemand erwartet, dass abends das Essen pünktlich auf dem Tisch steht, keiner verlangt, dass ich an langweiligen Firmenempfängen teilnehme, niemand drängt mich, endlich auf meine Mutter zuzugehen (Henrys Lieblingsthema), und kein Kind verlangt, dass ich von morgens bis abends zur Verfügung stehe. Ich fühle mich einfach nur frei und unbeschwert.
    Dauert es abends länger bei mir, geht Jack eben zu einem Spiel der Yankees oder trifft sich mit Kollegen in einem neueröffneten Restaurant. Gelingt es mir, mich rechtzeitig von meinem Schreibtisch zu befreien, schließe ich mich einfach an. Kein schlechtes Gewissen, weil ich so oft länger arbeiten muss, keine Vorwürfe, weil wir den vierten Abend in Folge Pizza oder was vom Chinesen bestellen, kein Gemecker, wenn es mal wieder an ihm hängenbleibt, unseren mannshohen Wäscheberg in den Keller zu wuchten.
    Nein,
denke ich,
die Dinge laufen wirklich rund zwischen uns, keine Schlaglöcher, die wir umfahren müssen, keine Landminen, die uns vom Kurs sprengen könnten.
Vielleichtliegt es aber auch daran, dass ich die Landminen diesmal umgehen kann, weil ich sie ja bereits kenne. In unserem letzten Leben hatte ich gehofft, Jack würde mit ein wenig Ermutigung den Schriftsteller in sich entdecken, den Vivian so felsenfest in seinen Tiefen vermutet. Ich quengelte und drängelte und zerrte ihn an seinen Schreibtisch und ignorierte seinen Unmut. In meinem letzten Leben stempelte ich ihn als faul und wenig ehrgeizig ab, als verwöhntes Söhnchen, das die Füße hochlegt. Jetzt aber ließ ich all das in weiser Voraussicht einfach sein. Jacks lebensbejahender Enthusiasmus war dafür unglaublich ansteckend, und ich wäre schön blöd, wenn ich mich von seinem Fieber nicht auch anstecken lassen würde.
    Von Henry habe ich gelernt, was Ambitionen sind. Ich weiß jetzt, was Zielstrebigkeit und Hartnäckigkeit bedeuten – nach sieben Jahren fühlte es sich erstickend, fast klaustrophobisch an.
    Deshalb schiebe ich diesmal die lauernden Zweifel an Jack beiseite. Ich will mich nicht nochmal in einer Spirale aus Sticheleien und Spitzfindigkeiten verirren. Und dank dieser winzigen Korrektur meiner Erwartungen läuft alles super. Es ist eine Taktik, die bei Beziehungsratgebern sicherlich ein Stirnrunzeln hervorrufen würde. Aber das ist mir egal.
    «Okay, wenn zu Hause also auch alles in Butter ist, worüber machst du dir dann Sorgen?», fragt Gene und holt mich damit aus meinen Gedanken zurück.
    «Ich mache mir keine Sorgen!», widerspreche ich. «Du bist derjenige, der mir erzählt, ich würde besorgt aussehen.»
    Er runzelt die Stirn. «Stimmt ja auch. Du siehst besorgtaus. Und das kann zweierlei bedeuten   –» Er beugt sich quer über einen Stoß Unterlagen auf meinem Schreibtisch, angelt sich eine Lakritzschnecke und steckt sie sich in den Mund. «Entweder», nuschelt er, «läuft es mit deinem Freund doch nicht so gut, wie du denkst – und du machst dir etwas vor. Oder aber, dieser Ex hat so deutliche Spuren bei dir hinterlassen, dass er deinen momentanen siebten Himmel immer noch erschüttern könnte.»
    Ich spüre, wie mir die Farbe aus dem Gesicht weicht. Statt einer überzeugenden Antwort sage ich nur: «Bist du jetzt auch noch mein Seelenklempner, oder was?»
    «Ach, wäre das schön!», erwidert er und steht auf. «Dann würde ich hier wenigstens mal von jemandem Geld bekommen.»
    «Ha, ha!», gebe ich ein wenig trotzig zurück. «Du

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