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Gestern fängt das Leben an

Gestern fängt das Leben an

Titel: Gestern fängt das Leben an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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Müll pfeffern konnte. Ich wollte bloß keine Möglichkeiten haben, sie anzurufen, selbst wenn ich schwach werden sollte.
    Doch stattdessen setze ich mich so schnell wieder hin, wie ich aufgesprungen bin. Ich presse den Brief auf die Tischplatte und streiche ihn glatt, so lange, bis die Knicke fast nicht mehr sichtbar sind. Mein Puls klopft spürbar in der Halskuhle. Langsam atme ich ein und aus, in dem verzweifelten Versuch, das alles von mir wegzuschieben. Dann mache ich die Schreibtischschublade auf und lege den Brief hinein.
    Vielleicht ist er es ja wert, irgendwann in der Zukunft doch darauf zurückzukommen, denke ich.

10
    Auf dem Empfang der Coke-Leute ist die absolute Crème de la Crème der Werbebranche versammelt, und genau wie Josie es mir prophezeit hat, kann ich die Veranstaltung dazu nutzen, eine Blick in den Olymp der Branchen-High-Society zu werfen.
    Das Taxi fährt vor dem hochaufragenden Steingebäude vor, in dem das
Cipriani
residiert, und ich steige in meinem neuen Kleid aus. Am Nachmittag hatte der Himmel ein bleiernes Grau angenommen und sämtliche Schleusen geöffnet. Jetzt ist die Luft immer noch feucht und schwer, und es fühlt sich eher nach Frühherbst an als nach August.
    Jack steigt auf seiner Seite aus, schließt zu mir auf und nimmt meine Hand. Es ist eine stumme Bitte, den Streit, den wir auf der Fahrt hatten, hinter uns zu lassen. Denselben Streit, den wir auch vor sieben Jahren führten, nur dass er damals bei unserem Lieblingsitaliener stattgefunden hat.
    Natürlich wollte ich ihn vermeiden. Immerhin glaube ich an meine neue Taktik. Doch dann ist mir dieser blöde Kommentar entschlüpft, völlig ungewollt und unnötig. Ich muss während des Gesprächs vom Kurs abgekommen sein.
    «Lass uns von hier verschwinden», hatte Jack gesagt, während ich die Taxilizenz unseres Fahrers studierte, die an der Plastikscheibe zwischen ihm und uns klebte, und mich fragte, ob der Mann wohl seine Familie zurückgelassen hat,als er nach New York gekommen war, um sein Glück zu suchen. In seinem Taxi stank es nach grünem Wunderbaum, und mir wurde leicht schwindelig.
    «Aus dem Taxi?», fragte ich und drehte mich zu Jack um. «Es sind noch fünfzehn Blocks bis zum
Cipriani

    «Nein. Lass uns von
hier
verschwinden.» Er wedelte mit den Händen. «Lass uns verreisen.»
    «Das ist auch keine Lösung für die Sache mit meiner Mutter», seufzte ich. Ich hatte Jack am Nachmittag von dem Brief erzählt und von meiner Verunsicherung. Er reagierte wie schon beim letzten Mal mit der für ihn typischen selbstsicheren Nonchalance, von der ich diesmal selber gerne mehr gehabt hätte.
    «Natürlich ist das für die Sache mit deiner Mutter keine Lösung», erwiderte Jack und nahm meine Hand. «Aber es könnte ziemlich lustig werden. Und darum geht es doch.» Er drückte meine Finger und lächelte. «Im Oktober vielleicht? Nach Miami?»
    «Ich dachte, du bist im Oktober auf einem Schriftstellerseminar. Um endlich an deinem Roman zu arbeiten.»
    Jack runzelte die Stirn. «Das habe ich dir erzählt?», fragte er mit flacher Stimme.
    Hektisch spulte ich in meiner Erinnerung zurück. Wann hatte er mir davon erzählt?
    «Äh.» Meine Gedanken rasten. «Ich habe irgendwas in deiner Post liegen sehen   … und einfach angenommen, du würdest dich da anmelden.»
    Aber es war nicht nur mein Versprecher, der sämtliche Begeisterung aus seiner Stimme tilgte. Es war die Erwähnung des großen Tabus, seines Romans. Beim letzten Mal hatte ich ihn ständig bedrängt. Ich folgte der Überzeugungseiner Mutter, ihr Sohn sei niemand Geringerer als der nächste Hemingway. Ohne ein einziges Mal in Erwägung zu ziehen, dass Jacks Leidenschaft fürs Schreiben nichts war im Vergleich zu der Begeisterung seiner Mutter. Ich hatte bestimmte Stunden festgelegt, in denen er schreiben sollte, was er auch tat. Stets hämmerte er dann auf die Tastatur ein, dass es klang wie Maschinengewehrsalven. Aber je mehr er schrieb, desto mehr verblasste das Leuchten in seinen Augen, als würde die Arbeit sämtliche Freude aus ihm heraussaugen.
    Diesmal wollte ich mich eigentlich zurückhalten, weniger drängeln. Solange er nur irgendetwas aus sich machte.
    «Nein», sagte Jack zur Trennscheibe gewandt, so scharf und spitz, dass er damit einen Luftballon hätte zum Platzen bringen können, «ich würde lieber nach Miami fliegen.»
    Er schien meine dürftige Erklärung zu glauben. «Ja, äh   … Klingt wunderbar», fügte ich eilig hinzu, in der Hoffnung,

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