Gestern fängt das Leben an
ihre Beziehung nicht in düsteren Wassern versinkt.
Zwei Wochen später begab sich Henry auf eine, wie sich herausstellen sollte, nie mehr enden wollende Geschäftsreise.
Seine Trips stapelten sich übereinander wie Spielkarten, und die wenige Zeit, die ihm zu Hause blieb, wurde bestimmt von Schlaf nachholen, Wäsche waschen und neu packen.
Ainsley hatte acht Wochen vor mir ihren Termin und bekam ihr Kind, als Henry gerade in Hongkong war. Ich war ständig bei ihr und beobachtete sie mit Argusaugen. Sie schien angeborene Mutterschaftsfähigkeiten zu besitzen. Und ich hoffte, ihr Naturtalent würde sich quasi via Osmose auf mich übertragen. Ainsleys Kompetenzen wurden sicher durch die Tatsache gesteigert, dass ihr Mann zu Hause war. Er hatte von seinem Vaterschaftsurlaub Gebrauch gemacht und widmete sich mit Freuden Mutter und Sohn.
«Vaterschaftsurlaub?» , spottete Henry nach seiner Rückkehr. Er roch noch nach schaler Flugzeugluft. «Ist das dein Ernst? Das hab ich ja noch nie gehört. Also, das würde bei uns in der Firma niemand tun.»
Achselzuckend wandte ich mich von ihm ab und fragte mich, warum ich mir überhaupt die Mühe gemacht hatte, das Thema anzuschneiden. Ich hatte sowieso nicht ernsthaft geglaubt, dass Henry sich drei Wochen freinehmen würde, um mit mir zu Hause zu bleiben. Vielleicht hätte ich ihn um drei Tage bitten sollen. Wahrscheinlich. Ja, ich hätte ihn um drei Tage bitten sollen, wenigstens das. Drei Tage, um mir dabei zu helfen, mit meinen Ängsten und den blankliegenden Nerven klarzukommen und mit den quälenden Schatten, die mir einflüsterten, dass ich als Mutter versagen würde. Aber ich sagte kein Wort.
Als mein Termin langsam, aber sicher, näher rückte,
schwollen meine Knöchel an, und ich bekam ständig Sodbrennen. Nur Henry schaltete keinen Gang zurück. Er schenkte mir Massagegutscheine, schickte mir hin und wieder aus der Ferne Blumen und überstand sogar einen ganzen Nachmittag beim Babyausstatter. Trotzdem waren dies nur dürftige Füllsel für eine klaffende Lücke. Und sosehr ich auch lächelte und mir begeistert den Bauch streichelte, war es doch schwer, sich nicht einzugestehen, dass diese Lücke einen tiefen Riss verursachte, der uns voneinander zu trennen begann.
Als mir, während ich in der Küche stand und Lasagne zubereitete, die Fruchtblase platzte, war Henry gerade auf dem Weg zum Flughafen. Ich war eine Woche zu früh dran und hatte ihm leichtsinnigerweise versichert, dass ich auf keinen Fall das Kind während seiner eintägigen Reise nach Chicago bekommen würde. Schließlich hatte ich mehrfach gelesen, dass das erste Kind sich meistens etwas länger Zeit lässt.
Die Wehen überkamen mich in regelmäßigen Wellen. In meiner Panik rief ich ihn an, aus Angst, ihn nicht mehr zu erreichen, ehe er in der Luft war. Dann rief ich mir ein Taxi, das zwölf Minuten und drei Wehen später vor der Tür stand und in dem es nach altem Curry und Old Spice stank. Und so lieferte ich mich schließlich selbst und mutterseelenallein im Westchester Memorial Center ein.
Zehn Minuten später stürmte Henry durch die Tür, hektisch und schweißgebadet, und als ich ihn sah, so zerknirscht und gleichzeitig voller Vorfreude, da vergaß ich die Lücken und Risse und Veränderungen, die sich in unsere Ehe eingeschlichen hatten. Stattdessen konzentrierte ich mich auf meinen Atem. Henry zählte mit mir, hielt
meine Hände und später auch meine Beine. Und nach elf Stunden schmerzvoller Geburt bahnte Katie sich ihren Weg in unsere Welt.
15
Es ist Montagmorgen, Gene und ich teilen uns zur Feier unserer Beförderungen – er ist jetzt offiziell mein Assistent – an meinem Schreibtisch Butterbagels, als der Empfang anruft und mir sagt, es sei etwas für mich abgegeben worden.
«Ich geh es holen», erklärt Gene, leckt sich die Finger sauber und springt auf.
«Du bist nicht mein Botenjunge», sage ich und will gerade aufstehen, da kommt Josie in mein Büro und bedeutet mir mit einem Blick zu bleiben. Gene verschwindet in Richtung Empfang.
«Ich weiß, dass du heute deinen ersten Tag in neuer Position hast, aber es gibt leider jetzt schon Schwierigkeiten», sagt sie und wirft mir einen Stapel Agenturporträts auf den Tisch. Die Bilder landen auf den weichgewordenen kleinen Butterpäckchen, die ich mir zur Feier des Tages gegönnt habe. «Coke ist unzufrieden mit unserem Kindermodel für die Print-Anzeigen.» Josie lässt sich auf den Besucherstuhl plumpsen und zieht die Nase kraus.
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