Gestern fängt das Leben an
breiten Grinsen.
«Das siehst du völlig richtig», antworte ich und beuge mich vor, um an den duftenden Rosen zu schnuppern.
«Dann ist es ja gut», sagt er. «Ich wollte neulich ja nichts sagen, aber Exfreunde bringen einem immer nur Ärger.»
«Meistens jedenfalls», widerspreche ich.
«Nein, immer», sagt er bestimmt. «Seit Anbeginn der Zeit, glaub mir.» Mit diesen Worten und einem bedeutsamen Blick verschwindet Gene zur Tür hinaus.
«Tu ich ja», rufe ich ihm hinterher, aber dann wird mirklar, dass Exfreunde wirklich immer nur Ärger bedeuten. Eine ungeahnte Dankbarkeit durchflutet mich bei der Erkenntnis, wie nahe ich daran war, all das über den Haufen zu werfen.
Jetzt, wo Jack mir wieder so nahe ist, brauche ich nie mehr an Henry zu denken. Denn er bedeutet nichts als Ärger, und das ist jetzt ein und für alle Male vorbei!
***
«Die Krise ist überstanden», sage ich und spaziere in Josies Büro. Sie hält den Finger an die Lippen, flüstert lautlos «Moment» und drückt den Hörer ans Ohr.
Josies Büro ist kein beeindruckendes Chefzimmer, sondern eher eine kleine Junior Suite. Sie wurde als Letzte zur Partnerin ernannt, und es gab nichts anderes mehr. Im Gegensatz zu meiner chaotischen Müllhalde ist Josies Büro geradlinig, ordentlich und absolut makellos.
Ich starre auf das ordentliche Bücherregal, das sich unter unzähligen Preisen und Fachliteratur über Marketing, Markeneinführung und Konsumverhalten biegt. Ehrfürchtig streiche ich über das Pinienholz und frage mich, ob Josie abends extra länger bleibt, um sicherzugehen, dass alles an seinem Platz ist. Aber dann fällt mir mein altes Leben ein, in dem mein eigenes Haus die Perfektion in Reinkultur war. Als würden gestärkte Bettlaken und liebevoll angelegte Blumenbeete für eine starke Seele sprechen. Vielleicht verbindet Josie und mich ja doch mehr als nur das große Interesse an Werbung.
«Entschuldige.» Sie legt auf und schüttelt den Kopf. «Das war gerade Art.» Sie birgt das Gesicht in den Händen undatmet hörbar aus. Dann streicht sie mit den Fingern über die Augenbrauen und sieht auf. «Sie haben ihm in San José eine Festanstellung angeboten.»
«Oh, das ist ja toll!» Mehr fällt mir dazu nicht ein, aber ich glaube, sie hat mich sowieso nicht gehört.
«Und jetzt? Was mache ich jetzt?», stöhnt sie mehr zu sich selbst. «Soll ich meinen verdammten Job jetzt vielleicht aufgeben, nur damit mein Mann künstlerischer Leiter der beschissenen Oper von San José werden kann? Das meinst du doch nicht ernst, oder?»
«Ich …»
«Nein, wirklich. Ich meine, höre ich mich jetzt an wie eine schlechte Ehefrau? Mein Mann hat endlich, nach über zwei Jahrzehnten, einen tollen Job in Aussicht – und ich kann mich nicht mal darüber freuen!»
«Ich weiß es nicht, Josie», sage ich leise. «Aber ich glaube nicht, dass du deswegen eine schlechte Ehefrau bist.»
«Ich weiß es auch nicht», seufzt sie. «Ich habe so viele Opfer für meine Familie gebracht. Ich habe mir jahrelang den Arsch aufgerissen, damit meine Kinder sorgenfrei leben können. Wir können sie sogar aufs College schicken, ohne uns völlig krummzumachen. Und jetzt kommt Art plötzlich mit diesem Angebot an. Für mich klingt das wie:
Vielen Dank, sehr schön, ich weiß deinen Einsatz zu schätzen, aber ab jetzt schmeiße ich den Laden, also pack deine Klamotten zusammen, wir ziehen nach San José! »
Sie verfällt in hysterischen Singsang: «In dieses gottverdammte San José!»
Ich muss an Henry denken und an meine Einsamkeit in Westchester. Ohne mit der Wimper zu zucken hat er mich damals aufs Land verfrachtet und keinen einzigen Gedankendaran verschwendet, was ich dafür vielleicht aufgeben musste. Ebenso hat er mich immer wieder bedrängt, mich mit meiner Mutter auszusöhnen, ohne auch nur einmal über meine Gründe nachzudenken. Ich kann Josie sehr gut verstehen.
Doch sie scheint sich schon wieder gefangen zu haben. «Schluss jetzt mit meinen Problemen», winkt sie ab. «Welche Krise, sagst du, ist beendet?»
«Gibt es denn mehr als eine?», frage ich besorgt.
«Das ist ja wohl offensichtlich.» Sie lächelt schief, fügt aber nichts mehr hinzu.
«Also gut», fahre ich daher fort. «Ich konnte das Problem mit Coke lösen: Ich habe ein passendes Kind gefunden. Bart hat bereits grünes Licht gegeben, und wir können eigentlich loslegen.»
Als ich den Namen Bart erwähne, verändert sich für einen kleinen Moment Josies Blick.
«Gott sei Dank!»,
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