Gestern fängt das Leben an
trennen. Und an jenem 3. Oktober setzte ich mich auf den Barhocker neben den Mann, der meine Zukunft werden sollte: Henry.
Mit einem letzten Blick auf das Datum nehme ich das Ticket und stecke es in meine Tasche.
Was bedeutet schon der 3. Oktober
?
, sage ich mir,
jetzt, wo sämtliche Daten und Zeiten ihre Bedeutung verloren haben.
16
Wie sich herausstellt, hat Allie schon kräftig geübt, um Supermodel zu werden.
«Ich übe abends immer vor dem Spiegel», vertraut sie mir an, als wir eine kurze Shooting-Pause machen, damit der Fotograf den Film wechseln kann. Sie stopft ein paar Chips in sich rein, und die fettigen Finger glänzen im Licht der Studiostrahler.
Leighs Augen weiten sich vor Entsetzen. «Allie! Das ist nicht wahr, oder?»
«Klar tu ich das, Mom. Na und? Ich will doch bei Victoria’s Secret dabei sein.» Sie schiebt neckisch die Schulter vor, so wie sie es den halbnackten, unnatürlichen Frauen zur besten Sendezeit abgekuckt haben muss.
«Das war’s», seufzt Leigh. «Das bedeutet das Ende sämtlicher Fernsehgeräte in unserem Haus!»
Allie wird wieder ans Set gerufen, und während sie ihre Pose einnimmt, springt eine Maskenbildnerin herbei, um ihr die Krümel von den Lippen zu wischen und den Lipgloss aufzufrischen.
«Ein bisschen Zurückhaltung beim Make-up, bitte!», ruft Leigh von der Seite. Dann dreht sie sich zu mir. «Himmel nochmal, Jillian! Wenn ich gewollt hätte, dass sie wie der Traum eines Päderasten aussieht, hätte ich sie bei dem Wettbewerb um New Yorks jüngste Schönheitskönigin angemeldet.»
Ich zucke die Achseln. In meinem alten Leben hatte ichsogar darüber nachgedacht, Katies Foto bei einem Baby-Model-Wettbewerb von
Eltern
einzureichen. Alle Eltern wünschen sich doch, dass die ganze Welt angesichts ihrer Sprösslinge in Verzückung gerät. Schließlich würde das beweisen, dass ihre Kleinen die perfekten Gene der Eltern geerbt haben. Ich verstehe also gar nicht, worüber Leigh sich so aufregt.
In diesem Moment klingelt Leighs Handy, und sie zieht sich mit einer Entschuldigung in eine Ecke zurück. Ich sehe ihr nach und beobachte zufällig, wie sich die schwere Metalltür öffnet und Josie das weißgetünchte Studio betritt. Sie sieht sich suchend um, dann winkt sie mir zu.
«Hey! Was tust du denn hier?», frage ich, als sie in ausgewaschenen Jeans und schicker rosaroter Bluse zu mir rüberkommt. «Ich habe alles unter Kontrolle.»
«Weiß ich doch», sagt sie und mustert die Anwesenden. «Ich wollte nur mal vorbeischauen.»
«Er ist nicht hier, Josie.» Ich blicke sie entlarvend an.
«Was? Wovon sprichst du?»
«Na, von Bart», sage ich bestimmt. «Er ist nicht hier.»
«Was hat das Thema denn hier zu suchen?», fragt sie genervt und wird rot. «Ich bin hier, um mich zu vergewissern, dass das Shooting gut läuft.»
Ehe ich antworten kann, kommt Leigh zu uns geeilt.
«Ich habe ein riesiges Problem», sagt sie hektisch. «Meine Nachbarin hat eben angerufen. Wir haben offensichtlich einen Wasserrohrbruch. Bei uns steht der ganze Keller unter Wasser! Scheiße!» Sie starrt ihr Handy an, als könne sie es mit reiner Willenskraft zum Klingeln bewegen. «Ich habe schon versucht, Liam anzurufen, aber ich kann ihn nicht erreichen. Wie lange braucht ihr Allie noch?»
«O Gott, keine Ahnung», erkläre ich. «Mindestens noch eine Stunde. Oder zwei? Sie wollen noch ein paar Bilder von ihr in anderen Outfits schießen, damit sie Allie auch für die Winterkampagne benutzen können.»
«Scheiße!», sagt Leigh nochmal, dann sieht sie mich eindringlich an. Sie zögert. «Hm … Könnte sie vielleicht bei dir bleiben?»
«Ja klar, kein Problem», erkläre ich. «Du musst den Leuten nur unterschreiben, dass ich ab sofort ihre Aufsichtsperson bin. Dann passe ich auf, und du kannst sie nach dem Shooting wieder abholen.»
«Nein, so habe ich es nicht gemeint, Jillian.» Sie schüttelt den Kopf. «Jetzt ist es schon halb fünf, und bis ich zu Hause bin, den Klempner organisiert und den gröbsten Schaden beseitigt habe, sind sicher ein paar Stunden vergangen und … Na ja, Allie vergöttert dich, und ich vertraue dir. Also könnte sie heute vielleicht einfach bei dir bleiben.»
«Wie? Bleiben?»
«Na ja, bei dir übernachten. Ich hole sie dann morgen in aller Frühe ab und bringe sie zur Schule.»
«Äh, also, okay, glaube ich», stottere ich. «Jack ist beruflich in Philadelphia. Ich wollte zwar eigentlich mit einer Freundin essen gehen, aber …» Ich
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