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Gestern fängt das Leben an

Gestern fängt das Leben an

Titel: Gestern fängt das Leben an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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den Tisch.
    Mit gerunzelter Stirn navigiere ich das Kuvert um meinen Teller herum und öffne es neugierig.
    «Wow!», rufe ich und nehme das Flugticket nach Miami näher in Augenschein, das zusammen mit einer handgeschriebenen Liste voller Vorschläge zum Vorschein kommt: Jetski fahren, South Beach, die neusten Restaurants etc. «Mir war nicht klar, dass es dir damit tatsächlich ernst gewesen ist.»
    «Aber natürlich!» Jack greift über den Tisch nach meiner Hand. «Ich habe die Reise bis ins kleinste Detail geplant, du musst nur packen und pünktlich am Flughafen sein.»
    «Das hast du alles dieses Wochenende organisiert?» Ich lege den Kopf schief. «Ich dachte, du kümmerst dich um deine Mutter. Und schreibst.»
    Ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll über das, was Jackauf die Beine stellen kann, wenn er etwas wirklich will, oder ob ich sauer sein soll, weil er nichts Größeres will.
    Tatsächlich hat er in meiner Vorstellung am letzten Wochenende jede freie Minute entweder am Krankenbett seiner Mutter oder an seinem Laptop verbracht. Nicht im Traum wäre ich darauf gekommen, dass er sich mit irgendwelchen Fluggesellschaften rumschlägt, um ein Upgrade in die Business-Klasse zu bekommen, oder in ausgebuchten Restaurants einen Tisch für uns reserviert.
    «Nun   …» Jack zuckt die Achseln. «Mit dem Schreiben ging es etwas zäher voran, als ich dachte.»
    «Was ist denn das Problem? Kann ich helfen?» Ich häufe etwas Tabouleh um eine Peperonischote und pikse mit der Gabel hinein.
    «Es gibt kein Problem», sagt er. «Es lag nur daran, dass ich durch meine Mutter doch häufig abgelenkt war.»
    Ich nicke mit vollem Mund, in der Hoffnung, dass es verständnisvoll rüberkommt. Obwohl ich ahne, dass Jack   – Mutter hin oder her – immer eine Ausrede parat haben wird, wenn es mit dem Schreiben gerade mal wieder nicht so klappt.
    «Außerdem geht es jetzt nicht um meine Schreiberei. Es geht um Miami!»
    «Bist du sicher?», frage ich. «Ich meine, bist du sicher, dass du die Zeit nicht doch lieber in dem Workshop verbringen möchtest, von dem du mir erzählt hast? Du hast dir doch Thanksgiving als Termin gesetzt und   –»
    «Jillian! Du machst mich echt wahnsinnig.» Jack hat seine Gabel auf den Teller fallen lassen. Mit großen Augen sieht er mich an.
    «Ich versuche ja nur, dich zu unterstützen», sage ich beschwichtigend.Und ich füge bewusst nicht hinzu: Weil du mir bei unserer Trennung vor sieben Jahren vorgeworfen hast, du hättest dein Manuskript ja nur vernachlässigt, um mehr Zeit mit mir zu verbringen. Und hättest du nicht so viel Zeit und Energie in eine zum Scheitern verurteilte Beziehung gesteckt, hättest du deinen Traum schon längst realisiert.
    Und ich sage ihm auch nicht, was ich ihm damals auf die Vorwürfe erwiderte: Dass er von Anfang an nie die Absicht gehabt hätte, besagten Traum zu erfüllen, weil es nur ein Trugbild war, eine illusorische Ziellinie.
    Ich habe ihm damals so hasserfüllte Sachen gesagt, dass ich mich danach krümmte vor Wut, Ohnmacht und echtem Schmerz. So sehr, dass ich mich seitdem immer gefragt habe, ob Jack vielleicht doch recht hatte. Vielleicht habe ich ihn tatsächlich nicht genug ermuntert, nicht genug unterstützt. Vielleicht habe ich ihn vielmehr an den falschen Stellen ausgebremst. Nämlich dann, wenn er sich spät nachts ins Wohnzimmer schlich, um ein paar Zeilen in die Tasten zu hämmern, und ich ihn zurückpfiff, quengelig und unwirsch, weil ich nicht alleine schlafen wollte. Vielleicht wollte ich ihn auch unterbewusst nicht weglassen. Vielleicht hatte ich Angst davor, er könne eine neue Richtung einschlagen und ich würde dabei womöglich auf der Strecke bleiben. Schließlich wusste ich, wie sehr es schmerzte, wenn man zurückgelassen wurde.
    «Ich weiß, dass du mich eigentlich nur unterstützen willst», schwenkt Jack liebevoll ein. «Aber mach dir keine Sorgen um mich. Ich schreibe, wenn ich schreibe.» Er hebt das Glas. «Auf Miami!»
    «Auf Miami», wiederhole ich und stoße mit ihm an.
    Erst als ich mir das Ticket genauer ansehe, realisiere ich, welches Datum dort steht: der 3.   Oktober. In drei Wochen.
    Allein der Anblick jagt mir einen Schrecken an, der sich anfühlt, als würde mein Qi wieder komplett durcheinandergeraten. Schließlich war der 3.   Oktober der Tag, an dem ich verheult und verzagt in einer Bar im East Village landen und einen Cosmopolitan bestellen würde. Zu dem Zeitpunkt waren Jack und ich fast so weit, uns zu

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