Gestern fängt das Leben an
denke kurz nach: Das würde ein Maximum an Kuschelzeit mit Jacks Nichte bedeuten. Das kann bestimmt nicht schaden. «Nein, kein Problem. So machen wir’s.»
«Gut, danke! Okay, also, du hast meine Handynummer. Ruf an, wenn es irgendwas gibt, ja? Ich melde mich, sobald ich das Chaos im Griff habe.» Sie holt tief Luft und pustet sich die Ponyfransen aus den Augen. «Das tut mir alles furchtbar leid.»
«Nein, nein. Sei nicht albern», winke ich ab.
Leigh marschiert zum Set und ruft Allie kurz zu sich. Sie erklärt ihr, dass sie weg muss, und ist kurz danach auch schon verschwunden.
Als die schwere Metalltür ins Schloss gefallen ist, beugt sich Josie zu mir und flüstert: «Na dann viel Glück beim Babysitten!»
«Das kann ja nicht so schwer sein.» Ich muss an Katie denken, und daran, wie ich es in der Kunst der Häuslichkeit einst beinahe zur Perfektion gebracht habe.
«Schwerer, als du denkst», antwortet Josie trocken. «Du hast ja keine Kinder und weißt nicht, wie das ist.»
Beinahe hätte ich ihr widersprochen, aber schlagartig wird mir klar: In diesem neuen Leben bin ich keine Mutter. Und diese Erkenntnis macht mich trauriger, als ich erwartet hätte.
«Also, ich mache mich dann mal wieder auf die Socken», seufzt Josie mit einem Blick auf die Uhr. Es ist unmöglich, nicht zu spüren, wie verbittert sie ist.
«Josie …», fange ich an, aber ich weiß im Grunde nicht, was ich sagen soll. Schließlich weiß ich, dass sie in der Zukunft, in der
echten
Zukunft, in der Beziehung mit Art absolut glücklich ist. Sie wird nichts bereuen, welche harten Entscheidungen sie auch treffen muss. Zwar hätten wir diese Werbekampagne nie an Land gezogen, wenn ich nicht zurückgekommen wäre, aber ich weiß auch, dass sie sonst nie mehr so heftig in ihr Phantasieleben mit Bart zurückkatapultiert worden wäre. Er wäre ihr nie wieder so sehr durch den Kopf gegeistert, wäre nicht wie der rettende Fluchtweg aus dem nüchternen Trübsal ihres Alltags erschienen, weg von der Oper in San José, weg von einemEhemann, der ihr auf einmal nur noch als zweite Wahl erschien.
Doch ehe ich ein Wort sagen kann, spaziert tatsächlich Bart durch die Tür. Sein Gesicht trägt den gleichen nervösen Gesichtsausdruck wie Josie vorhin. Die beiden sehen sich an, und Josie fängt schlagartig von einem Ohr zum anderen an zu grinsen. Lässig schlendert sie zu ihm hinüber, um ihn mit einem Küsschen auf die Wange zu begrüßen.
Ich beobachte die beiden noch einen Augenblick lang, dann wende ich meine Aufmerksamkeit wieder Allie zu, die mit ihrer wunderbaren Ausstrahlung inzwischen das ganze Set verzaubert hat. Sie bemerkt meinen Blick, zwinkert mir zu und schickt mir mit der Hand einen Luftkuss. Ich tue so, als müsste ich mich strecken, um ihn zu fangen, und sie quietscht vor Freude.
Noch lange spüre ich den Kuss in meiner Hand, wie eine alte Narbe, die nie verblasst, egal was man tut.
***
Später treffen Allie und ich uns mit Megan im
Serendipity
zum Abendessen.
«Natürlich stört es mich nicht», sagte sie, als ich anrief, um unseren Plan zu ändern. «Dann kann ich schon mal üben, mit Kindern umzugehen.»
«Gibt es was Neues?», fragte ich und versuchte krampfhaft, mich zu erinnern, wann Megan das zweite Mal verkündet hatte, dass sie schwanger sei. Aber mein Hirn gab nichts her.
«Ich muss mit dem Test noch ein paar Tage warten», antwortete sie. Ihre Stimme klang hoffnungsvoll – oder nervös.Das liegt bei uns beiden so eng zusammen, dass man es fast nicht unterscheiden kann.
Das Restaurant ist einem Teesalon aus der Zeit unserer Großmütter nachempfunden. Leuchtend bunte Tiffanylampen hängen von der Decke, die Luft ist durchdrungen vom unverwechselbaren Duft nach Schokolade, und elegante Korbstühle mit geblümten Polstern gruppieren sich um kleine Marmortische, an denen zahlreiche Familien sitzen. Die Kleinen sitzen auf dem Schoß ihrer älteren Geschwister oder ihrer Mütter. Eine Frau beugt sich zu ihrem Mann und lacht ihm ins Ohr. Es ist die Art von Lachen, das sich dann einstellt, wenn man gemütlich und vertraut zusammensitzt und man die Welt draußen vor den Fenstern für einen Augenblick schlicht vergisst.
«Kann ich mir zum Abendessen eine Eisschokolade bestellen?», fragt Allie. Das
Serendipity
ist schließlich berühmt für seine riesigen Eisbecher und vor allem für die Eisschokolade.
«Auf gar keinen Fall», töne ich, «erst was Gesundes und dann den Nachtisch.» Ich nehme eine Serviette, tauche sie
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