Gestohlene Leidenschaft
er leise.
Lächelnd drehte sie den Kopf leicht zur Seite und schmiegte das Gesicht in seine Hand. „Keine Tränen“, versprach sie.
Einige Minuten genossen sie noch die friedliche Stille nach dem gemeinsamen Höhepunkt, dann atmete Grace tief durch und fing an zu erzählen.
„Ich lernte Loukas kennen, als ich vierzehn war“, sagte sie leise und hielt sich an Khalis fest, als bräuchte sie einen Anker. „Meine Mutter war ein Jahr zuvor gestorben, und ich fühlte mich schrecklich einsam. Mein Vater war ein ganz wunderbarer Mann, aber immer etwas zerstreut oder völlig vertieft in seine Bücher. Damals war Loukas sehr nett zu mir. Er steckte voller Pläne, wie er es zu Reichtum bringen könnte, nahm sich aber immer Zeit für mich.“
Sie seufzte leise. „Das nächste Mal sahen wir uns bei der Trauerfeier für meinen Vater. Inzwischen war ich sechsundzwanzig und hatte gerade meine Doktorarbeit geschrieben. Ein Londoner Auktionshaus hatte mir eine Stelle angeboten. Ich hatte das Gefühl, das ganze Leben vor mir zu haben. Doch dann starb mein Vater ganz überraschend, und ich fiel in ein tiefes Loch. Ich hatte niemanden mehr auf der Welt. Loukas ist mit mir ausgegangen, hat mir zugehört, mich wieder aufgerichtet. Im Nachhinein frage ich mich allerdings, ob ich ihn überhaupt wahrgenommen hätte, wenn wir uns unter anderen Umständen kennengelernt hätten.“
„Du warst damals eben sehr verwundbar“, vermutete Khalis.
„Das ist keine Entschuldigung“, wehrte Grace ab.
„Wir reden hier nicht von Entschuldigungen, sondern von Verständnis.“
„Innerhalb von sechs Wochen waren wir verheiratet. Natürlich war das völlig überstürzt. Heute sehe ich das ein, aber damals wusste ich kaum, was ich tat. Ich trauerte ja noch um meinen Vater. Ich dachte, Loukas wäre immer noch der einfühlsame Schul- und Studienfreund, musste jedoch bald feststellen, dass er sich verändert hatte. Er war steinreich und betrachtete mich als sein Eigentum. Wir flogen auf seine Privatinsel, angeblich, um dort unsere Flitterwochen zu verbringen. Ich dachte, wir würden bald nach London zurückkehren, wo ich wieder meine Arbeit im Auktionshaus aufnehmen wollte.“
Khalis streichelte sie beruhigend, als er spürte, wie sie sich verspannte.
„Er hat mich allein auf der Insel zurückgelassen. Beim Auktionshaus hat er angerufen und behauptet, ich wäre nicht mehr an dem Posten interessiert. Heute ist mir schleierhaft, warum ich mich nicht gewehrt habe. Ich saß auf der Insel fest. Warum habe ich mich nicht selbst um eine Möglichkeit gekümmert, von dort wegzukommen?“
„Was hat dich daran gehindert, Grace?“
„Ich hatte Angst. Außer Loukas hatte ich keinen Menschen mehr auf der Welt. Ich wollte ihn nicht auch noch verlieren, selbst wenn er nur selten dort war. Ich habe mir eingeredet, dass ich auf der Insel doch ein paradiesisches Leben führe. Irgendwann hatte ich dann doch den Mut aufgebracht wegzugehen, merkte jedoch, dass ich schwanger war. Loukas hätte mich niemals gehen lassen. Also blieb ich und hoffte, es würde alles gut werden, wenn unser Kind erst auf der Welt war.“
Traurig sah sie Khalis an. „Doch alles wurde nur noch schlimmer. Katerina war ein Schreibaby, und ich war bald mit den Nerven am Ende. Loukas hatte zu meiner Unterstützung ein Kindermädchen eingestellt. Leider war die Frau genauso herrisch wie er und hat mich ständig bevormundet. Zeitweise hatte ich Angst, den Verstand zu verlieren.“
Schweigend rieb Khalis ihr den Rücken und wartete geduldig, bis sie weitererzählte.
„Und dann …“, wisperte sie und verstummte wieder. Sie rollte sich auf die Seite und zog die Knie an. „Dann stellte Loukas ihn ein. Er sollte sich um das Anwesen kümmern. Inzwischen frage ich mich, ob er mich auf die Probe stellen wollte. Na ja, wie wir wissen, bin ich mit Pauken und Trompeten durchgefallen.“
„So kann man doch keine Ehe führen.“
„Nein. Alles ist gründlich schiefgelaufen“, fügte Grace mit tränenerstickter Stimme hinzu.
Khalis hielt sie fest umschlungen und ließ sie weinen. Er machte sich die größten Vorwürfe, ihr je misstraut zu haben. Sogar an seiner Liebe zu ihr hatte er gezweifelt!
Schließlich versiegten die Tränen. Grace schniefte und lachte verlegen. „Entschuldige bitte! So heftig habe ich noch nie geweint.“
Sie drehte sich wieder zu ihm um. Ihr Gesicht war völlig verweint. Khalis lächelte zärtlich und küsste sie sanft auf den Mund. „Du bist wunderschön, Grace.
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